Monat: Juni 2023 (Seite 2 von 2)

Sich

Platz nehmen 
und bitte lieber nicht
warten hinter
dem baumelnden Schild an der Kette
bis eine gnädige Kellnerin 
in schwarzem Minirock 
weißer Schürze
und diesen faszinierenden hochgebundenen Schuhen, dieser umknicksicheren Mischung aus Orthopädie und Rom,
dich einweist nach ihrem Gutdünken.
Lieber das Geschenk wahr haben
und der Einladung glauben
in ein Zimmer
ein Haus
an ein Ohr
ein Herz
einen Tisch.
Mit Klaviermusik aus allen Fenstern
einem Ort für dein Jetzt
und dem Blick
voraus.

Heine weiß

„Es gibt Leute, welche den Vogel ganz genau zu kennen glauben, weil sie das Ei gesehen haben, woraus er hervorgekrochen ist.“ Heinrich Heine

Aber
wissen wir nicht auch
kaum etwas vom Ei
während wir
meinen
den Vogelflug zu berechnen
und Gesänge zu entschlüsseln 
bleibt die große Frage
nach der
die das erste legte
es schuf in ihren Eingeweiden oder
wo
oder es formte
in ihrer Hand
und uns behutsam
ins Nest legte
es zu drehen und zu wenden
und in Liebe zu wärmen
als ein Rätsel
dem einst
entschlüpfen wird
was uns immer schon
erkannt hat.

Jonas und Gyōza

Unterwegs zu einem
gemeinsamen Abend
ist
wie immer
der Weg das Ziel
und das Ziel
gekrönt mit der Erkenntnis
dass du
in Schale geworfen
mit gewaschenem Kopf
und gebadeten Füßen
wie geschaffen
bist für internationale Begleitung.
in Hülle und Fülle.
Weil einer weiß
wer zu dir
passt.

Nur

Einen Schritt zur Seite
und du siehst
wie die Welt
dich sieht.
Vielleicht.
Unscharf und kleinkariert.
Vergoldet wohlmöglich
und
nicht zu fassen
im Raster
das dich
gefügig macht.
Siehst du
dich
hinterrücks angestarrt.
Als Projektionswand
für ausgesprochen Unausgesprochenes.
Nenn dich empfindlich.
Nenn dich undankbar.
Oder anspruchsvoll.
Alles.
Aber lass dich
nicht verlöschen.
Denn
wer sich zufrieden gibt
hat nichts
mehr zu geben.

Lernen

Egal was.
Hauptsache immer.
Vokabeln. Einmaleinse. Gedichte.
Und
dass alles vorüber geht.
Dass das Große im Kleinen wohnt.
Dass in deinem Gegenüber Geheimnisse schlummern.
Dass zusammengeht, was gar nicht passt.
Dass wir das Salz der Erde sind.
Trost im Trostlosen.
Gefäß für Barmherzigkeit.
Dass es gut ist,
Messer und Gabel dabei zu haben.
Und eine Rosenschere.
Und
dass das, was du erwartet hast,
oft anders eintrifft
Und
dich doch
beglücken kann.

Ganz schön viel

Ganz schön viel.
Gepäck.
Und
Erwartungen. 
Und Sachen
unter einen Hut zu kriegen.
Ganz schön viel 
Liebe im Herzen. Mehr als eine. Jedenfalls.
Ganz schön viel Weh.
Und
Aufbruch und Abschied.
Und
Angst vor der Entscheidung.
Und dem eigenen Mut.
Und angewiesen sein.
Aber auch getragen.
Ganz schön viel
Glück im Unglück.
Und Platz.
Und Freiheit. Und Luft.
Und Abendhimmel in rosa.
Wer hätte das gedacht.
Ganz schön viel los.
Aber auch ganz schön viel
Segen aus der Hand einer kleinen grauen Nonne.