25. Türchentag

Wer
darf dir so
bis auf die Knochen
und zwischen die Gräten
schauen
dich so
nackt und bloß
sehen
und wem
hast du dich je
so gezeigt?
Ganz unaufgenötigt?
Wem hast du erlaubt
dich so ungeschützt
zu sehen?
Wem hast du zugetraut
dich liebevoll
achtsam
und gleichwohl
mit der ganz eigenen
Sicht
dich in den Blick zu nehmen?
Wer durfte dich so unverblümt
anschauen
und sehen
was najavielleichteh offenbar war?
Zum Gesehenwerden
braucht es
sich einzulassen.
In aller Ungewissheit des Ausgangs.
Es braucht das Wagnis
deines geöffneten Mantels.
Einer Enthüllung
Schicht für Schicht.
Bis aufs Blut.
Bis hinunter
zu deiner Verletzlichkeit.
Bis hin
zu deinem Herzen.

 

24. TÜRCHENTAG

Da liegt es
das Kindlein.
Fest gewickelt
und geschnürt
von Zerborussen bewacht
wie ich einst
in der Kinderklinik Greifswald.
25 km away from everything:
Mutterbrust
Liebe
Familie.
Vielleicht hat sich
schon hier
in den ersten vier Wochen
meines streng observierten
Lebens
in denen man mich
knapp
und nur für einen einzigen Moment
besuchen und mir durch die Glasscheibe
maximal kurz winken durfte
die Spreu vom Weizen getrennt
und ich kennen gelernt
was eine echte Beziehung ist.
Eine
die trägt.
Die auf sich nimmt
was dran ist.
Was mich trägt.
So dass ich
mit dem Firlefanz drumrum
mich eigentlich
nicht mehr abgeben muss.
Denn da sind
zum Beispiel
nach 20. Minuten im Backofen
diese güldenen Leiber
fest gewickelt
die mir erzählen von deiner Odyssee
und Ankunft
bei mir.
Als Mensch bei den Menschen.

23. Türchentag

Drei Schiffe
sah ich segeln.
nach Bethlehem
Vonmirzudir.
Diesmal.
Der du
doch eigentlich
auf mich zu kommst.
Weil das ewige
Jetztabererstmaldu
und ichwilldichjanichtüberfordern
hier
gerne nochmal
auf seine Standfestigkeiten
überprüft werden darf.
Weil ich vielleicht doch
darauf angewiesen bin
meine Flotte zu mobilisieren.
Die meine ureigene
Flagge gehisst
und sich aufs Meer wagt.
Weil die Welt sich so umdreht
dass selbst die Geschichte
die am Anfang
so einfach schien
nämlich dass da etwas
auf mich zukommt
nicht mehr stimmt.
Weihnachten dreht das Wohinundwoher
gründlich um.
Gott ist
nicht mehr
Oben. Erhaben. Sondern bei mir.
Geht in die Kniee
neigt sich zu mir
Und begleitet mein Angewiesensein.
Das sich auf den Weg macht.
Und bleibt doch
in meiner Nähe.
Darauf traue ich.

22. Türchentag

Wenn ein Licht
sich auf die Reise macht
braucht es
denke ich mir
den Mut
gegen jede Erwartung.
So wie bei Maria
als sie
übers
Gebirge ging.
Und es braucht wohl auch
diese erstaunliche Standfestigkeit
eines ungestützten Körpers.
Eines
durch den du
durchgucken kannst
und durch den
der Wind pfeift.
So wie bei meinem.
Und bestimmt braucht es auch
eine ausreichende Menge
Humor.
Weil alle sagen:
Die pusten dich weg.
Oder es selber machen.
Ganz ohne Ansage.
Oder dich auslachen.
Aber dann kommt es an.
Das Friedenslicht aus Bethlehem.
Federleicht
und tanzend.
Sich verschenkend.
Zerstörerisch
wenn es so sein soll.
Wie wäre das wohl
wenn es sich heimlich
in alle Lager
von Kriegsgerät legte?
Wenn es die Chroniken der Verfeindungen
verbrennte?
Oder wenn einfach
seine stille Kraft
ausreichen würde
um zu überzeugen?
Wenn diese Flamme
federleicht
und tanzend
in diesen Tagen
in denen alles
auf der Goldwaage liegt
so schwer wöge.
Wie schön könnte das sein.

21. Türchentag

Da steht er.
Und bei mir ist er schön.
Schön luftig.
That a bird could fly through it.
… if you are doing trees…
sprach John Wood
während wir Bäume malten.
Am Lake Minnetonka 1995.
Als er mich gestützt
von seinem Bauch
den er liebevoll Ferdinand rief
ins Flugzeug trug.
Are you okay honey?
Und der sich trotz Gichtanfall
nach viel rotem Wein und viel rotem Fleisch
heimlich Honig
aber ordentlich Honig
in seinen Porridge tat.
Schön war das.
In Mound
wo ich meine Haut zu zeigen
begann
und mein erstes erwachsenes
Kleid trug
mich meiner Kurven
nicht mehr schämte
und den Säcken
entsprang.
Frauensommer. Mit Karin und Gisela.
Duftende Großzügigkeit
und nächtliche Lebensgeschichten.
Da steht er.
Schön luftig.
Auch
weil wir das so mögen.
Das Väterchen die Puli und ich.
Denn dann passt was ran.
Und der Hybridbetrieb
mit Kerze und Elektro
hat mehr Platz.
Da stehe ich.
Hundemüde.
In Vorfreude.
In Erinnerung und Nachfreude
vor so viel Gnade.

20. Türchentag

Und so ist
das Leben
immer eine Reise.
Wenn auch die Ziele sich ändern.
Was du
im übrigen
niemals
gedacht hättest.
Jedes Mal nicht.
Das Gepäck
das zu Schultern ist
ist mehr
und mehr
und mehr geworden
im Lauf der Jahre.
Aber auch die Normalität
dass das
so ist.
Fieber hattest du diesbezüglich nie.
Abenteuerlust schon.
Und Wiedersehensvorfreude.
Hinzugekommen ist
die Sorge
ob das renitente heißgeliebte Katzentier
noch da sein wird
wenn du
wieder sa sein wirst.
Noch ist sie es.
Und hält sich wacker.
Oh Wunder.
Und schau.
Da steht er
dein treuer Heinrich
der vielleicht ein
zu deinem Charon werden wird.
Aber wenn, wohl nicht durch ihn.
Und wenn
dann
ist es schon jetzt vergeben.
Aber diesmal ist es ja
nochmal
Gottseisgetrommeltundgepfiffen
gutgegangen

19. Türchentag

Aussichten sind es doch
die uns ausrichten
Die guten
aber selbst die schlechten.
Die ziehen sich nämlich
gelegentlich
am schönen Tageslicht
das fahle Gespenstergewand
über ihre gespinstigen Knie
und blinzeln verschämt
in die Sonne
weil sie
nicht bewahrheiten konnten.
Jedenfalls nicht in Gänze.
Weil das ja
so ist
mit der Wahrheit
dass es nämlich
immer mehrere
Wahrheiten gibt.
So dass es selbst
beim Hinschauen
auf schlechte Aussichten
eine kleine
gute Laune macht.
Naja.
und dann erstmal die guten.
Sie heben den Blick.
Sie strecken die Kehle.
Sie shließen die Seele auf
nach morgen.

18. Türchentag

Und wenn du Fragst:
Wo geht es lang?
Sagt eine:
Da. Aber mach schnell.
Und einer:
Dort.
Andere sagen:
Weiß ich nicht. Aber wenn du es rauskriegst
sag mir unbedingt Bescheid.
Jemand sagt:
Weisst du das denn nicht?
Oder wer sagt:
Heute geht eh nichts mehr.
Und sie sagen:
Wenn du das nicht weißt
dann kann ich dir auch nicht helfen.
Dabei wolltest du
doch nur
dass jemand deine Frage
liebevoll bei der Hand nimmt.
Dich dazu
in seinen lichten Mantel hüllt
und seine Schritte
vor die deinen setzt.
Mal nicht vorweggehen müssen.
Mal nicht entscheiden
wohin
und dabei
den Wind abkriegen.
Sondern
am allerallerallerliebsten einem schönen Wesen aus Leuchten
aus Schutz und Zutrauen
aus Wärme und Gelassenheit
dich überlassen.
Vielleicht nur kurz.
Vielleicht auch länger.
So lange es braucht jedenfalls
bis es wieder
alleine geht.
Vielleicht dauert die Stunde
wie in Meister Horas Uhrenstube ja ein Jahr.
Vielleicht.
Vielleicht
hast du dafür
aber auch
die falsche Frage gestellt.

17. Türchentag

In dulci jubilo
Mit süßer Freude
steigt
orange Wärme auf.
Schon beim Zusammensuchen
der Ingredenti.
Wir waren all verloren
in Schwäche
und Verfröstelung.
Doch hat er uns erkoren
und kam aus der Erde
als wurzelige Kraft.
Und mit allem was es braucht
um
auf Misthaufen
Hochbeeten
Zäunen und Geländern
im Wettlauf mit fressbegeisterten Schnecken
rundbäckige Herbstfreude
wachsen zu lassen
die als Erntedankgabe auf steinerne Altarstufen
zwischen Dahliensonnenblumenundherbstasternsträuße und zu schwarzweißoderbacksteinrot
gefließten Chorräumen emporrankendes Weinlaub gelgt
sich vor dem Wunder dieses Gewachsenseins verneigen
und seiner Schöpferkraft entgegenstrahlt
und leuchtet Sonne wie die Sonne.
Noch im Topf
scheint sie
wenn Einheimisches sich mit Fernöstlichem
verbindet
das
hört hört
nun auch in mecklenburgischem Boden
Heimat findet.
Tröst mir mein Gemüte
du Süße und Säure
du köstlicher Duft
du nährendes Wunder
aus samtiger Konsistenz
die Schärfe in die Wangen treibt
und gleichsam schmeichelt.
Eia wärn wir da
wenn hier die Schüsseln gefüllt werden.
Wenn hier die Kelle
dampfend
Glück verteilt.
Eia wärn wir da.

In Dulci Jubilo - Hier spontan und ungeprobt, zur puren Freude eingesungen von Jana-Christin Walter und Karl-Bernhardin Kropf. Danke, Euch beiden!

16. Türchentag

Ein Streifen kein Streifen.
So wie auf dem väterlichen Flanellschlafanzug
der rufbereit aus dem
eiskellerigen Elternschlafzimmer kam.
Dem mit den gegeneinderschlagenden Doppelfensterflügeln.
Bei Durst
drückenden Falten
nächtlicher Antibiotikagabe
die heruntergewürgt wurde mit Apfelmus.
Mus zum Beispiel
vom mitten im Hof stehenden Cox Orange
von dem ebendieser
Pyjamaträger
auf der Halbzeit
der Schwangerschaft
die mich ausbrüten sollte
bei der Ernte des letzten Apfels
mit einem schauerlichen Ton
von etwas knöchern Hohlem
das auf Stein aufschlägt
herabstürzte
was den Fortgang meiner Ausbrütung nicht unmaßgeblich bestimmen sollte.
Ein Streifen kein Streifen.
Wie auf meinen
1992 selbst bemalten Leggings.
Schwarzweiß mit dickem Strich
nicht zu ordentlich gepinselt.
Wie hab ich die geliebt.
Bisschen punky gottseidankie
hätte Udo gesagt.
Die waren mit mir
in Florenz. In Siena. Volterra.
Und nach zweiwöchiger Husterei
Piruetten drehend im lang ersehnten toskanischen Regen.
Was mir ein Mütterliches Donnerwetter einbrachte.
Ein Streifen kein Streifen.
So wie meine untergehenden Muskeln.
Einer bleibt
einer geht.
Reise nach Jerusalem.
Und raus bist du.
Wie gut dass unter der gestreiften
die glatte Muskulatur wohnt.
Glatt wie Samt und Seide
schlägt das Herz sich durch.
Gegenan.
Den schwindenden Motoneuronen zum Trotz.
Ein Streifen kein Streifen.
So durchzog heute ein Duft von Linzer Schnitten
köstlich köstlich
meinen fast den ganzen Tag währenden Schwächeschlaf.
Wegen Bauchkniepen
liegengeblieben auf blauweißem Riesenhandtuch.
Ein Streifen kein Streifen.
Dabei wäre
so viel zu tun gewesen.
Aber das muss ja auch mal sein.
Hätte Otto Krüger gesagt.
Seines Zeichens einst
Produnktionsleiter in der Pflanze
Gesagt zum Beispiel
während er
Gift auf die Beikräuter in der Marsiskeschen Steinwüste unseres Hofes in der Wiesenstraße ausbrachte.
Oder etwas schadstoffärmer
im Schrebergarten seine
Stiefmütterchen goss.
Ganz odentlich in Reih und Glied
Ein Streifen kein Streifen.