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Siebter Januar : achtunddreißigster Türchentag

Du bist aber
schmal geworden.
Sagen sie.
Und weniger
auskunftsfreudig.
Sagen sie.
Kunstück.
In diesen Zeiten.
Wo keiner mehr
einen Nachschlag verlangt.
Was war das für ein Leben
als du sie alle vereint hast
all die Angeschlossenen.
Selbst im Osten warst du dicker
wo noch lange nicht
jeder Haushalt
fernverdrahtet war.
So wie unser.
23904Rostocklohsegutentag…
Und die Frau Ternité
die mit schöner Regelmäßigkeit
abends an die Küchentür klopfte:
„Darfsch moa dienstlisch anruhfn?“
Und du lagst
still dabei
auf der Tiefkühltruhe.
Oder standest
auf dem Amtszimmerschreibtisch
dem schönsten Ort im Haus
von ganz allein.
So dicke
hattest du es mal.
Und hast dich im Zweifelsfalle
breit aufschlagen lassen.
Hast die Stadt
und alles was da lebt
durchbuchstabiert.
Seite für Seite.
Welch eine Wonne
wenn der suchende Finger
sich vertikal nach unten
tastend fündig wurde.
Dein einträgliches Geschäft war es
das Dasein der Sesshaften
zu berechtigen. 
Der Analogen.
Festvernetzten.
Nicht weg zu denken
überall zugegen
konntest du früher
Ziegelsteine ersetzen
und
Teller erhöhen für Muskelkranke
wenn mal wieder das Stövchen
fehlte.
Du verschwiegenes
redendes
Buch der Bücher.
Wie gerne
hätte ich dich mal
vorgelesen.
Wenig Handlung
aber jede Menge spannende Charaktere.
Geblieben sind dir
ein paar
dünne Seiten.
Und ein paar
Dinosaurier
die dir die Treue halten.
Und ihrer ISDN-Anlage im Keller.

 

Epiphanias : Siebenunddreißigster Türchentag

Alle Wege
führen
weißt du
dorthin
was
im Verborgenen
offenbar geworden
ist.
Klein und zart
aus der Wurzel des Vertrauens
von einer
gegen die Furcht an.
Und vieler zuvor.
Allem zum Trotz
was ganz anders
und nicht gut aussah.
Alle Wege führen
hinein
wenn auch vielleicht
nur wackelige Stege
zum Innersten dessen
der dir erscheint
der dich zieht
an das Herz der Barmherzigkeit.
In die Arme der Erbarmung.
In das Wort
das keine Antwort braucht.
Alle Wege führen
sicher
dorthin wo
warm dich erwartet
was von Anfang an gewesen ist
und zur Welt kommt
obduwillstodernicht
auch in dir
und
hinaus strahlt
in alle Dunkel.
Gewisslich.
Dass
sie niederfallen
vor der Dämmerung
dieses Lichts
und ihre Schätze auftun.

Fünfter januar : Sechsunddreißigster Türchentag

Was
so ein Körper
alles kann.
In alle Richtungen kann er wachsen.
Wölbungen produzieren
Kurven
Ecken
verborgene Täler
geliebte Grübchen
Haare
Warzen
zarte Fältchen.
Fest und weich
kann er sich geben.
Glatt und rauh.
Kann sich bewegen und bewegen lassen.
Kann fliegen
inundauswendig.
Kann Wellen machen
die Erde umpflügen
und kann wie ein gestrandeter Wal
angewiesen sein
auf deine Hände und Füße.
Kann Schweiß
perlen lassen
wie Tau.
Kann sich rühren
wenn du ihn berührst.
Kann wen wärmen
die erfriert.
Ist dein Zuhause
und meine Zuflucht.
In ihm wohnt
der Vogel Herz.
Flatternd und schlagend.
Er ist der Dom
für das Lied
aus deiner Kehle

Vierter Januar : Fünfunddreißigster Türchentag

Und dann geht
nochmal Weihnachten auf
über dir.
Haltbar
und frisch.
Grün.
Und warm und süß und golden.
Ein Platz zum Einhaken.
Wo sich löst
was verknotet und eng war. In Liebe. Mutig. Sicher.
Wo du neu beginnen kannst. Mit allem was bleibt und geht.
Wo du Barmherzigkeit üben kannst
und immerimmerimmerwieder
die Dinge
von allen Seiten
so spannend
so erhellend
so schön
zu sehen.
Wo Hoffnung sprießt
und wo
alle Wege hinführen.
Wo du auf die Knie fällst
dankbar
gerettet
wenn auch bestimmt nicht
nie wieder ohne Not.
Aber mit
der Wärme eines vertrauten
Feuers
im Rücken
und am Himmel Sternschnuppenströme
die du nicht siehst.

Dritter Januar : Vierunddreißigster Türchentag

Den Weg voraus
die Straße unter den Füßen
schon mal ein bisschen
gen Süden
wenn auch ohne große Temperaturrelevanz.
Italien ist weit.
Es bleibt frostig
Schneewehen wabern.
Der Wald ist weiß.
Und es hängt noch ganz schön was im Himmel.
Vielleicht schlingert der Asphalt.
Weil da niemand vor dir her geht
der aus dem Weg räumt
was dich straucheln lässt.
Mach langsam.
Pass auf dich auf.
Und behalte im Herzen
wo du hin willst. 
Den roten Faden
im Blick und dein Gepäck
geschnürt.
So lang es eben braucht.
Und dann schau.
Und über allem
die Sonne
gleißend
verheißend
hell
und im Grunde
warm.

Zweiter januar : Dreiunddreißigster Türchentag

Und dann fragst du dich
müde
und etwas leer
am zweiten Tag des Jahres
unter einem
stahlblauen Abendhimmel
der sich in mittelalterlicher Lasurtechnik
fein geschichtet
und wie von innen her leuchtend
blau so blau
mit dem perfekten Übergang der Farbtöne
was wohl passiert wäre
wenn du da oder dort
anders abgebogen wärst.
Wenn du da deinem Sehnen
gefolgt wärst
oder dich dort getraut hättest
zu tun
was du tun wolltest
zu sagen
was du nicht gesagt hast
zu gehen
wo du geblieben bist
es gewagt hättest
deinen Schmerz zu zeigen
deine Liebe
deine Wut
deine Schönheit
und dein Nein.
Wenn du mehr Vertrauen hättest haben können
gesehen zu sein
richtig so
wie du bist.
Wenn du die Kontrolle fahren
und dich
nicht beschämen hättest lassen.
Wer wärest du dann heute?
Und wo?
Vielleicht wäre
weniger zerbrochen
was du mit Mühe
wieder hast einsammeln müssen und neu zusammenzusetzen.
Und warten
was heil wird und neu.
Vielleicht wären
in deiner Resonanz
dann weniger widersprüchliche Töne. Heute.
Vielleicht wärst du
unversehrter.
Aber eben auch
ärmer um die Erfahrung
wie kostbar und schön
Bruchstücke sind
und das Glück
sie wieder zu finden
wo sie unter den Teppich gekehrt waren
hervor zu holen
mutig
zuversichtlich
erwachsen.
Entwachsen
dem Anspruch
eines alten Entwederoder.
Auf die Ahnung
hin zu
einem zarten
goldenen
glockenschlagklaren
mächtigen
rettenden
Sowohlalsauch.

 

 

Neujahr : Zweiunddreissigster Türchentag

Nun
steht sie vor dir.
Deine Schüssel
voll mit neuem Jahr.
Das hast du dir nicht selbst eingebrockt.
Das gab es geschenkt.
Ungefragt.
Höchstwahrscheinlich nicht für umsonst.
Aber das wird sich zeigen.
Was es dich kosten wird.
Und kosten lassen.
Auf jeden Fall
ist es aufgetan
von einer
die es immer gut mit dir meint
an der Ausgabe.
Eine große Portion.
365 Tage schwer.
Noch ganz heiß.
Ganz frisch.
Der erste Aufguss.
Definitiv.
Eigentlich willst du sie erst mal
ein bisschen stehen lassen.
Nach der kurzen Nacht
und allem
was das letzte Jahr
dir noch eben eingeschenkt hat
ist es noch ein bisschen flau im Magen.
Aber alles nach und nach.
Muss ja nicht alles auf einmal sein.
Erst mal die gute Brühe.
Die Ursuppe des Jahres.
Die ist schon mal nicht schlecht.
Sie wärmt
und belastet nicht.
Viele gute Dinge sind in ihr gelöst.
Auf die du vertrauen kannst.
Die Essenz all dessen
was schon war. Verlässlich und stabil.
Und dann findet sich auch gleich auf dem Löffel
neben einem köstlichen Taubenmagen und einer Erbse
die vierte Kantate des Weihnachtsoratoriums.
Mit der so tröstlich vertonten
Frage aller Fragen
auf die es ja dann auch gleich die Antwort gibt.
Prompt und geechot
vom Doppelsopran.
„Sollt ich nun das Sterben scheuen? Nein. Dein süßes Wort ist da. Oder mich viel mehr erfreuen? Ja. Du Heiland sprichst selbst ja.“
Na dann.
Dann mal ran an den Löffel
und schauen
schmecken und sehen
wie freundlich der ist
der dies spricht.
Hab Vertrauen.
Die Frau an der Suppenausgabe
ist seine Angestellte.

Silvester : Einunddreißigster Türchentag

Und jetzt
komm.
Erheb dein Glas
was auch immer drin sein mag.
Ich hoffe
es ist nichts
was dir zu bitter ist
und trink mit mir.
Auf die Liebe.
Auf die einzige
auf die zu trinken
an die zu glauben
auf die zu hoffen
es lohnt.
Weil sie da ist.
Und war.
Immer.
Auch wenn du es nicht geglaub hast.
Auch wenn du es nicht gespürt hast.
Sie war da.
Gesehen hast dus doch.
Weil sie bei dir wohnt und dir aus den Augen springt. So schön.
Und in meine.
Weil sie deine Zuversicht ist
und mein Heil.
Weil sie der einzige Grund ist
warum mein Herz noch schlägt.
Weil kaum jemand wie sie
so verschieden und vielgestaltig gewaltig groß
und unglaublich winzig zauberhaft
und sprachlos machend sein kann.
Weil niemand wie sie
dir die Sprache schenkt
nach der deine Worte Ewigkeiten gesucht haben.
Weil sie alles umkehren
und ausrichten kann.
Weil sie ganz alt ist
und immerneu.
Weil du dich nach niemandem
so sehnst wie nach ihr.
Weil sie dir Hohe Lieder schenkt.
Denn sie meint dich selbst und andere. Ohne Unterschied.
Weil sie dich reich macht
auch wenn du verzichtest.
Weil sie dir Fragen aufgibt
die du dir ohne sie nicht gestellt hättest.
Weil sie dich Widersprüche ertragen lässt.
Weil sie dich Wege gehen lässt.
Zu mir.
Und mich.
Zu dir.
Weil sie verzeiht und vergibt
und nachsieht und vergisst
wo wir es nicht können.
Weil sie uns alle entwaffnet. Antreibt und beschützt
vor Vergeblichkeit. Immer wieder und wieder.
Weil sie nicht in unserer Hand liegt, aber uns die Hände füllt.
Weil sie uns frei macht.
Für das
was kommt.
Und weil sie die einzige ist
die uns rettet.

 

 

Dreißigster Dezember : Dreissigster Türchentag

„Und als wir ans Ufer kamen
und saßen noch lang im Kahn
da kam es
dass wir den Himmel
am schönsten
im Wasser sahn.“
Singt es in mir
mit Biermanns Worten
zur geschrammelten Gitarre
immer ein bisschen am Rhythmus vorbei
mit Absicht
wie er das so macht.
Und das weil sich
hinterrücks in meiner Brille
die Lichter vom Weihnachtsbaum spiegeln
als ein Sternenmeer.
Und auch gleich schon wieder weg
und fast nicht wieder zu beschaffen
nach einer kleinen Drehung des Kopfes.
Was bleibt
ist der Gedanke
den der alte Haudegen
schon damals so schön
besungen hat.
Und der nie wieder weggehen wird
seit in meinen Neunzigern
die New Kids On The Block von Liedermachern abgelöst
wurden
die ab da
mein Leben besoundtracken.
Erst vom alten Kinderzimmerplattenspieler
aus der elterlichen Sammlung unter den Nagel gerissen
mit den ganz individuellen Kratzern
die die Nadel an der immergleichen
Stelle springen oder auch hängen ließen.
Dann von Mixtapes
die wir uns gegenseitig machten
im Doppelkassendeck.
Später mit meiner ersten Kompaktanlage
auf den ersten CDs.
So viel Kraft.
So viel Schönheit.
So viel Wahrheit.
So viel Wut
die da unter meiner von allen Gästen signierten Zimmertür durch in die Küche quoll.
Zu beispielsweise violetten Kerzen
auf bekleckerten Flaschenhälsen.
Mit der Ahnung großer Erkenntnisse im Herzen.
Mit Wahrhaftigkeit und weh.
Und Ideen
vom Leben
und wie es besser geht
mit der Welt.
All ihr Gerhards
Wolfs
Bettinas
Joans
Hermans.
Bis heute
an jeder Ecke ein Zitat.
Manchmal nervt das auch
was da alles
im Kopf steckt.
Aber recht hast du
wackerer Barde den sie Zuhause rausgeschmissen haben
und dem dann
so viele gefolgt sind.
Die große Kulturausblutung der DDR.
Schön blöd die Bonzen.
Haben sich tief ins eigene Fleisch geschnitten.
So viel Schmerz. So viel Verlust von Heimat.
Aber vielleicht braucht es das
um sowas so singen zu können.
Denn recht hat du
auch heute
das erkennt meine Seele.
So vieles offenbart
sein wahres Wesen
erst
in seinem heimlichen
Abbild.
Transportiert sich gespiegelt
konzentriert auf einen Ausschnitt
wiedergegeben als Fragment besser als im Ganzen.
Licht
in deinem Blick gefangen.
Himmel
in einer Tasse Tee.
Weihnachten
in einer Liedstrophe.
Gott
in einer Umarmung.
Oder ein ganzer Titel
in der sich ewig wiederholenden Sekunde
einer Kratzerstelle auf der LP.

Neunundzwanzigster Dezember : Neunundzwanzigster Türchentag

Die
Sterne sind nicht
in Stein gemeißelt
nur oben am Himmel.
Manchmal fällt einer runter.
Nicht nur sein Glanz.
Das ganze Gestirn.
Vor Sehnsucht nach warmem Berührtsein vielleicht.
Nach Erdenschwere.
Anziehung.
Nach der ganzen Fliehkraft da oben.
Und
sieheda
da gibt es
schon
eine Geschichte dazu.
Bilder.
In der Tiefe.
Ein Bilderbuch.
Irgendein Westbesuch hats mitgebracht.
Ich konnte es auswendig.
Lesefähig mit kurz vor fünf.
„Am Waldesrand auf einem Berg wohnt Mümmelmann
der kleine Zwerg.
Durchs Fernrohr sieht sich Mümmelmann genau den Sternenhimmel an.
Und gerade ist im hohen Bogen
ein heller Stern herabgeflogen.“
Und siehe
dies geschah aber so.
Ein Engel hatte mit Schaum und Bürste Sterne blank geputzt
und dabei
und das ist das Risiko aller Carearbeit
vielleicht sogar mit einer Flanke in Richtung Jugendschutz
einen Stern im hohen Bogen
herabsegeln lassen.
Was nun.
Der Engel geht verstört zu Boden.
Old white Zwerg Mümmelmann
gibt alles
den Ausbüchser wiederzufinden.
Am Ende wird alles gut.
Der Stern wird wieder aufgehängt und es kann Weihnachte werden.
Hummelillustriert. Nabitte.
Wie hab ich dieses Buch geliebt.
Da geht was kaputt und wird wieder heil. Wieder hell. Weil kooperiert wird.
Die Bilder waren zum Drinverschwinden.
Die Reime sogleich fest verankert
im Subcortex bis heute
wie sich zeigt.
Und nun liegt
dieser Stern im Dom.
Und zieht den Blick
zum Friedenslicht von Bethlehem.
Das sehr irdische Wege gegangen ist
bis hierher.
Ach wenn doch so
einfach heil würde
was kaputt ist
gefunden
was verloren
ein glückliches Ende finden
was schlimm aussah.
Egal was kommt. Es muss wohl ein Stern fallen
damit dies
geschieht.