Monat: Dezember 2025 (Seite 1 von 1)

6. Türchentag

Licht
tröpfelt ins Morgengrauen.
Zwielichtig. Fahl. Dazwischen.
Es perlt ein Morgen ins Grauen.
Ein Hell ins Dunkle.
Licht von gesstern ins morgen.
Ton für Ton.
Wenn getrost
vor
jeder Sonne
und gegen all
dein Verzagtsein
Vögel singen.
Weil sie
bescheidwissen
die alten Klugscheißer
wann die Nacht
zu Ende geht
die vorher doch
noch Kälte fallen lässt
noch vor der Dämmerung.
Wenn der Morgenstern
ersehnt
erbeten
herbeigesungen
sich zeigt.
Im Dunkeln.
Im Zwielicht.
Im Hoffen
auf ihn.
Und dann
liebe Nachtschichtlerinnen
geschieht es.
Ihr kennt es.
Ihr Hirten bei den Schafen.
Ihr Hebammen
Ihr Pflegenden
Ihr Menschen am OP-Tisch
in der Raucherpause,
Ihr Hüterinnen des Worts, um das ihr ringt bis in den Morgen.
Ihr wisst
er kommt.
Es kommt. Es kommt ein Morgenstern. Verlasst euch drauf.
Den Lebenden zur Hilfe. Den Sterbenden zum Trost.
„Oh, Oh komm, du Morgenstern“
Komm. Mach mich frei
von Knechtschaft
und von Thyrannei.
Und dann
ruft wer in meine Dämmerung hinein:
Freut euch.
Freut euch.
Der Herr ist nah.
Mächtig. Gewaltig. Sprachlos machend. Groß.
Freut Euch. Und singt Hallelujah.

Imprvisation von Christian Thadewald-Friedrich zu EG 19, im Greifswalder Dom, am 05.12.2025

5. Türchentag

Und weil
sich ja auf einem Bein
genauso wie auf zwei dreien
und selbst auf allen vieren nichts
auf die Beine stellen lässt
seist du gepriesen
du Myriapod
des Netzwerkens
du vielgesichtiges Wunderwesen
dessen Augen stets mehr sehen
als zwei
aus tausend Perspektiven
und dessen viele Hände
Gottlob
niemals
ein Ende machen
sondern stets am Guten weiterbauen.
Gepriesen drum
das Herz
das sich
zu spüren weiß
im Resonanzraum andrer Herzen.
Gepriesen sei die Schöpferkraft
die uns
in diesen Raum stellt
den wir teilen
aneinander
gewiesen
verbunden
getrennt
begabt
mit uns und miteinander.

4. Türchentag

Gleich
zweimal gemogelt
und doch
ei mein Blümlein
aus Jesses Wurzel
wenn auch ach Herrje
einen Tag zu spät
aus dem Ärmel gezogen.
Sankt Barbara
mags nachsehen.
Auch dass
Boskop statt Kirsche
aber nichtsdestoweniger
es die Zweiglein
der Gottseligkeit
sind
die schnippschnapp
aus Nachbars Garten
aufgesteckt
mit Andacht Lust und Freud
und eingestellt
in Liebe
sich
des klatsch ich in die Hände
als Hosianna
Himmlisch Manna
auf der
Zunge zergehen lassen.

3. Türchentag

Von zuhause
nach zuhause
sind wir
unterwegs
das ganze Leben
im Gepäck
der nase nach.
Die
wird dir anzeigen
wo du bist.
Wittern wirst du
wo Heimat ist.
Hier und da.
Und aufjedenfall
im
vondirzumirzuihr
wird sie
sich bemerkbar
machen.

2. Türchentag

Zwischen
sieben Leben und dann doch sterben
zwischen
Angst und Hoffen
Abend und Morgen
Tag und Nacht
früh und spät
Abschied und Wiedersehen
zwischen
zu zeitig und genaurichtig
gleich und vorhin
und immerda
zwischen ersehnt und schon da gewesen
zwischen flüchtig und präsent
verlässlich und selbstbestimmt
zwischen Segen und Fluch
Besitzen und Auserwähltsein
zwischen
Festhalten und Loslassen
Liebe und Schmerz
Dankbarkeit und Verlassensein
zwischen
hier und dort
halte ich dich im Herzen.

1. Türchentag

In meine teppichdichte Dämmerung
zieh ein
Du
goldenes Hoffnungsband
durchwirke
meine verstrickte
Deckung
hinten und vorn zu kurz
meinen Mantel des Schweigens
meinen Sack der Trauer
verflixt und zugenäht
mit deinem Glanz
deinem Zutrauen
deinem Licht.
Knüpf mich auf
mit Freuden
bis auf die Haut.
Stopf meine löchrige
Zuversicht
mein verschlissenes Hoffen.
Verbinde
flicke
was brüchig und fadenscheinig
nicht mehr
tragbar war
und mich
auch zugeknöpft nicht wärmte.
Hülle mich in dein
geteiltes Kleid.
Das schützt und schirmt
auch noch beim Tanz
in Sturm und Regen.
Schutzmantel
mütterlichgewebt
und freundinnengemacht
vom Zipfel
des Saumes
des Gewands der Höchsten.