Sechzehnter Januar : Siebenunvierzigster Türchentag

Jetzt haben wir den Salat.
Der böse dunkelblaue Hartgummihandtrainer
hält sich hartnäckig
in meiner frisch geweckten Erinnerung und geht nicht mehr weg.
Hartherzig und unerweichlich.
Und ich frage mich
wer da die
überaus blöde Idee hatte
mich ohne jeden Mehrwert
und bis zur Erschöpfung
immer wieder erleben zu lassen
was nicht geht.
Und wer
wohlmöglich gegen die eigene Ohnmacht an
sich vorgenommen hat
zu glauben
dass Training
meinen Muskelstatus
verbessern könnte.
Und ob daher wohl
die Abneigung rührt
gegen jede Art von training.
Weil es doch
ganz im Sinne des auf eine zu Boden gegangene Schnapsflasche blickenden Kapitäns in Miss Marples Mörder Ahoi
„Eine Verschwendung. Was für eine diabolische, Verschwendung“
ist
die Kraft Muskelkranker
für etwas so Unnützes
wie Trainingsgeräte zu vergeuden.
Statt viel besser
für eine Handschrift.
Ein Gemälde.
Ein Strickwerk.
Geschnibbelte Bohnen
oder eine gepellte Rote Beete
von der sich die Haut nach dem Kochen so wunderbar abflitschen lässt.
Oder eine selbstgeschmierte Abendbrotstulle.
Ein Riesenappetitbrot
mit Schinken und Käse und allem was man sich so aus dem Kühlschrank bringen lassen kann.
Vielleicht ist es
der Muskelkranken Eigenart
mit dem
was da ist
was zu machen
solange es geht.
Als gäbs kein Morgen. 
Und doch habe ich
bei aller Verweigerung
es nicht vermeiden können
zu üben.
Und sei es.
die Zumutungen der Welt auszuhalten.
Zum Beispiel die der ungeheuerlichen Frau Hoyer
in der Behindertenschule

unter deren real existierender Konsumkrause leider nicht so viel los war im Oberstübchen
und der ich achtjährig erklären musste
dass in meinem Fall „Beine über die Stange und üben, üben, üben!“ gar nichts bringt.
Zu lernen dass ich sterben werde.
Aber doch noch nicht gleich.
So wie Birgit
aus dem Bett nebenan.
Und woher sollte ich das wissen?
Birgit
die auf einmal
über Nacht
nicht mehr da war.
Die
wie es schien
ganz folgerichtig erstickt war an ihrer soundsovielten Pneumonie.
Und genauso wenig habe ich es vermeiden können
zu trainieren.
Zum Beispiel
Toilettengänge zu vermeiden.
Weil niemand da war.
Oder stundenlang auf sich warten ließ.
Behinderte Kinder
werden nicht
immer in Watte gepackt.
Ist auch gut so.
Du siehst und hörst besser.
Kannst dich besser stoßen
an den Ecken der Welt.
Und sie dich spüren lassen.
Du hast weniger Fusseln zwischen den Zehen.
Dafür wachsen die Haare auf den Zähnen
ganz von selbst und umso besser.
Weil da niemand hinter dir steht
und du dich meistens allein verteidigen musst
gegen Mitleid
Zuschreibung und Unterstellung.
Das war meine Torwand.
Das war mein Springseil.
Das waren meine Klimmzüge
meine Kniebeugen und
mein Balancieren auf dem Schwebebalken.
Alles durch und durch
verhasst.
Aber darin
bin ich fit für Olympia.