Autor: jotpunkt (Seite 4 von 22)

Vierter Advent : Zweiundzwanzigster Türchentag

Wenn über einem
schweren Morgen
nach einer kurzen Nacht
mit einer Coronaabsage
und Regen
unter Glockengeläut
ein Regenbogen überm Dom steht
und eine Tür für dich offen
wie deine Ohren
für Elisabeths schöne
sehr sehr alte Altstimme
und Gerhard an der kastigen Orgel
und magic Jutta auf der Leinwand
mal da mal nicht da
aber dann doch verlässlich
per Notebook
unter Sternen
hier wie dort
an ihrem geliebten Schreibtischplatz
was haben wir da schon Nächte verbracht
und geredet und geredet
so nah durch dick und dünn
zwischen drinnen und draußen
und manchmal einem Zug aus deiner Zigarette
die Unvernunft in Tüten
und so schön
all die langen Abende mit
viel zu kurzen Nächten
am Ausgang zum Balkon mit der wackeren Rose
wackere Jutta
ich hab die Flaschen nicht gezählt
und viel zu selten fortgeschafft
bitte vergib mir
und nimm möglichst oft Platz
auf meinem Sofa
an meinem Tisch
auf meinem Balkon
jedenfalls wenn also auch nicht alles bestens ist
aber doch so vieles gut
dann ist das ein guter Tag zum Lernen.
Ein guter Tag zum Staunen.
Zum Beispiel darüber
dass die Neue Residenz mit immeroffenen Augen in deine Richtung schaut.
Und Maria übers Gebirge geht.
Allein.
Sich Mut ansingend vielleicht.
Über das Gebirge der Steine
die man nach ihr hätte werfen können.
Die Kluge. Die Unterschätzte.
Nicht bloß Mutter.
Wasglaubstdenndu.
Ihr Geist erhebt den Herrn.
Nicht bloß ihr Leib.
Nicht so reduziert
wie man meint.
Und meine Seele freuet sich. Auch in Sturm und Dunkel. Gerade dann.
Über eine Begegnung.
Eine wirklich wirksame.
Mit einer vielleicht
die einen zuhause hat
der nichts sagt. Himmelhilf.
Ein guter Tag also
zu lernen
dass Hallelujah
ganz wörtlich
im Japanischen klingt wie
„Es wird sonnig werden“.

 

Einundzwanzigster Dezember : Einundzwanzigster Türchenntag

Zuversicht kannst du nicht
in Büchsen kaufen.
Vielleicht eher unverpackt
mit dem eigenen Schraubglas
in der gewünschten
Volumengröße.
Oder einem Sackerl.
Mal schauen
was reingeht.
Aber auch da
würde es schwierig an der Kasse.
Spätestens da.
Vielleicht schon
am ausverkauften Regal.
Aber dann
wenn doch
mal angenommen
wie willst du sie messen?
Mit welcher Währung zahlst du?
Was ist der Preis?
Wie rechnet sich
ein Gegenwert?
Zuversicht kommt freihaus.
Unerwartet. Wenn auch ersehnt. Vielleicht unvermutet
weil dir dafür der Mut fehlte.
Wohlmöglich
als blinde Passagierin
in irgendjemands Tasche
oder gar mit einer falsch zugestellten Fracht.
Auf jeden Fall
geschenkt.
Unverfügbar und plötzlich da.
Wo du noch nicht mal
ein richtiges Bett hast.
Aber schonmal 75
Goldrandteller
und einen Gottesdienst mit mindestens zwei Magnificat
für den du morgen früh raus musst
geliebte Menschen
und Sterne. Sterne.

 

 

 

Zwanzigster Dezember : Zwanzigster Türchentag

Und dann stehen alte Bekannte
 nicht mehr nur vor
und nicht in
sondern direttamente
und in Persona
auf deiner Seite
der Tür
in der Bude.
Die kriegste jetzt nicht mehr raus.
Aber das ist ja auch schön.
Solange sie sich
zu benehmen wissen.
Und hübsch geordnet all die
Geschichten erzählen die ihr erlebt habt.
Als ein schweinchenrosa Salat-Besteck-Faden der sich durch dein Leben Zieht.
Vom Stranskie
bei dem Onkel Manne nach seiner Knastzeit
untergekommen ist.
Und Schmalzgebäck verkloppt hat
auf dem Weihnachtsmarkt.
Meine Güte.
Müssen die gestunken haben.
Wenn er kam
gab es Geschichten.
Heldengeschichten meistens. Der Stier von Flandern.
Und auch von der Frau vom Stranskie
die derweil schwerstkrank mit Krebs zu hause lag

und starb.
Umgeben von ihren Kindern.
Die dachten „die wird wieder.“
Wurde sie nicht. Auch nicht mit Analgin, was er bis zuletzt erstaunlicherweise geholfen hat.
Wusste die Erika.
Ich weiß nicht genau
ob der Strandskie selbst umgesattelt hat oder eine benachbarte Rummelbude sich auflöste
eines Tages gab es jeweils 120 schwarze Plastikpudel
rosa Salatbestecks
wie es über viele Jahre in Familienorogiinalbenutzung.
Nach Zerbruch gabs immer ein neues.
Kein Wunder.
Und kleine geschnitzte Holzhundpaare mit Magneten in Po und Nase.
Ich sehe Björn die Rummmelreste verhökern auf der Auszugsthombola mit Gesichtserkennung auf der Hochzeit von Ulrike und Lars.
Haben wir gelacht.
Jetzt im und jetzt nach 22 Jahren.
Geschlummert im Nachlass
von Oma Lina. Und jetzt beim Auspacken gefunden.
Ewigjung und frisch.
Als wäre kein Tag vergangen.
Kommt rein.
Nehmt Platz.
Ihr wart ja
immer schon da.

Neunzehnter Dezember : Neunzehnter Türchentag

Es gibt Räume
Zeiten
Beziehungen
Fragen
Perspektiven
auf dich selbst und das Leben überhaupt
wo sich
der Kopf verknotet und du dich 
gespiegelt im Spiegel gespiegelt
im Spiegel im Spiegel im Spiegel gespiegelt  im Spiegel
gespiegelt im Spiegel gespiegelt in unendlichen spiegelden Spiegeln
an nichts mehr. halten kannst
was Hand und Fuß hat
und im Bauch sich Schwindel regt
ein Stürzen in mit widerhallender Leere gefüllte endlos weite Tiefe
und zugleich
kein Ausweg ist aus der Enge
aus der Wiederkehr des immergleichen Bildes
als ein Hammerschlag.
Wenn aber anstelle deiner
und der Welt die dich umgibt
ein Licht käme
warm
und freundlich
sich unendlich zu spiegeln
in dir. Und in mir. Und in unserem Blick zueinander
wie hell
es dann würde.

 

 

Achtzehnter Türchentag

Und schon
zum zweiten Mal
kommt eine und sagt
„Sie sehen aus wie eine Meerjungfrau.“
Und immer in Supermärkten.
Zuerst in Greifswald.
Bei Edeka an Kasse neun.
Da hab ich es irgendwie plausibel gefunden.
In blau und grün.
Und heute aufeinmal in Halle.
Im Konsum. Obwohl ich mich gar nicht so fühle. In lila und weiß.
Ich finds toll. Mir solls recht sein.
Aber genaugenommen
wäre ich demnach erst
dem Bodden entestiegen
und dann der Saale.
Verschwommen
ins Inlandige.
Jedenfalls.
Jedoch nicht ohne Gefallen.
Und natürlich nicht ohne die Gefährten.
Und Genossinnen.
Die sind dabei.
Als Schwarm. Als Intelligenz.
Als ein Backup ins Urvertrauen.
Flatterschwanzlich und
lächelnd wie ein alter Hai
in blau.
Die finden sich
richtig gut.
Vortrefflich und erstmal für immer.
Und sowieso ist hier
Vermählung von so vielem
das ankern will beieinander.
Da braucht es ja immer
etwas Altes etwas Neues etwas Geborgtes und
etwas Blaues.
Und die Meerjungfrau
schaut sich um.
I
gendwie ist tatsächlich
von allem etwas dabei.
Und genug.
Auch wenn es mitunter noch zusammengebaut gehört.
Das Geborgte mit Alt und Neu und Blau.
Allesinallem ist es wohl aber vor allem
geborgte Zeit
oder geschenkte
oder einfach notgedrungene.
Wenn die Welt zusammenbricht
bleibt sie und trägt.
Das macht dankbar.
Und schwer.

 

 

Siebzehnter Dezember : Siebzehnter Türchentag

Und dann
welch ein Glück
guckst du in die Röhre.
In deine höchsteigene.
Heiße.
Goldes wertige
und siehst es werden.
Das Selbstgemachte.
Was du dir schön eingebrockt hast
und jetzt dann auch auslöffeln wirst
du Suppenkasperin
was passiert ist
und dem
was du deshalb hast passieren lassen.
Ganz fein.
Und doch nicht ganz ohne Klümpchen.
Aber
Erika hat gesagt
„Mir hüppen in jede Brühe nei.“
machen wir einfach nach.
Mit Klütern drin und ohne.
Jetzt schaust du in die Röhre.
Auf das Fürdichgewachsene
in den letzten 24 Stunden.
Feuer Wasser Luft und jede Menge gewonnes Land.
Vielleicht nicht im Kampf. Aber im Ringen. Im Ringen mit dem
was schwer ist.
Und um den Mut für das Vorstellbare.
Schaust du in die Röhr.
Auf das
was dich nähren wird und wärmt.
Jetzt schon.
Im Licht der Lampe
Die dich erinnert an
den großen Flur in Loitz.
In 1920 bis 50 und 2005
Ganz sicher. Hoffentlich.
Die in deiner Küche zu Gast sind.
Die guten Geister.
Und auch die Menschen
die hier ein und ausgehen
werden.
und die Freiheit zu sein
und zu bleiben. Und wieder zu kommen. 
Immer.

 

 

Sechzehnter Dezember : Sechzehnter Türchentag

Wie sich auch dieses Gefühl hält.
Das es ein richtiger Ausflug ist.
Kurz mal nach Schweden.
Zum Beispiel um Gardinen zu kaufen.
Und dann doch immer jede Menge Klimbim.
Was ist das für eine tiefe Zuneigung zu einem blauen Blechkasten
der die Gemütlichkeit eines Eingeschneitseins im Schwedischen Tiefstwinter verspricht.
Ein bisschen Bullerbü kannst du auch du.
Ganz bestimmt.
Konditionierung alla deluxe.
Und doch. Ja.
Das ahnt die Seele.
Und in die ungetrübte Welt deines schönsten Ferienerlebnisses in Spandau oder Woltersdorf
mischt sich eine Abwehr.
Ein Ahnen
wo und wie die feinen Flechtarbeiten für deinen zukünftigen Wäschekorb geleistet wurden.
Ein Großebergstraßegefühl
wo ganz Altona sich umkrempeln musste für den Kolloss und so vieles sterben drumherum.
Wie empört du warst.
Nie wieder Köttbullar.
Aber dann ist es eben doch der Ort der Orte.
Und nun haben wir auch noch den Red Dot Design Award gewonnen
mit der Enterpriselampe.
Also komm und sieh und kaufe.
Und hol dir so viele Kaffees wie du willst. Dir wird vertraut hier. Und die Mandeltorte schmeckt wie immer.
Und man hat alles
was du brauchst.
Sogar das
wovon du das noch gar nicht wusstest.
Und dann wird dir klar
beim mäandern durch die Gänge
die einer mit Kalkül gebaut hat
wenn auch
dem Himmel sei Dank
und
ihm sei es getrommelt und gepfiffen
es Abkürzungen gibt
Rückwege sogar
wer hätte das gedacht
dass dies hier alles genau darauf ausgelegt ist
alle Energie und die Fähigkeit klar zu denken
deine Bedürfnisse zu erkennen
ebenso wie sämtliche tageslichtabhängigen Botenstoffe in dir aufzufressen
bis du dir am Ende wünschst
eine Stimme von oben würde sagen
„Die kleine Claudia möchte gerne aus dem Smaland abgeholt werden.“
Denn Nysjön ist gerade nicht lieferbar.
Und Dyvlinge nicht so toll
wie du dachtest.
Weil du
anders als getan
deinen gesamten Einkauf besser schon hättest in die App einscannen sollen
damit du an der Kasse durchgewunken wirst.
Und deine Familycard im Nirvana verschwunden ist
aber jemand von den blaugelben Engeln sehr lieb
trotzdem deinen Zugang mittels 853 manuell einzugebender Zahlen ermöglicht hat.
Und der Lachs ganz schön trocken war. Wenn auch die Sauce toll. Wie sie das wohl machen?
Und Stunde um Stunde deines Lebens verrinnt.
So jedenfalls
dass du am Ende denkst
dass dich nichts und niemand anderes retten wird
als ein Hotdog.
Ein Hotdog.
Zum sozialistischen Preis von zwei Euro. Egal was drauf ist.
Das erfährst du aber erst
wenn du den digitalen Bestellvorgang
bezwungen hast.
Und dann fragst du dich
während ihr
auf der Abstellkonsole
einer geschlossenen SB Kasse sitzt
wieviele Kilo
zu Boden gegangener Röstzwiebeln
Ingmar Kamprath weltweit
wohl so
von
so hoffen wir
nicht zu schlecht bezahlten Putzkräften
zusammenkehren lässt.
Und dann trägst du viel nach Hause. Zum Beispiel zweimal Mudderverk für Küche und Zimmer.
Und zu später Stunde
erklärt dir PONS
dass
was du materialistisch gelesen hast einfach nur Bagger oder Eimer bedeutet.
Und dennoch.
Allein für dieses schöne Wort
hat es sich gelohnt.

 

 

Dritter Advent : 15. Dezember

Fenster zum Himmel
Türe
zur Welt
Welch ein Licht.
Blau und weiß und hell.
Mach dir eine Schürze draus.
Einen Schutz aus Leuchten
Eines das alle dunklen Flecken 
auf der Seele
bleicht.
So wie das großmütterliche Trostgefühl
wenn sie mit ihrer Kittelweisheit
gutes Wetter versprach.
und gezaubert hat. Mit ein bisschen Zigarettenrauch in der Bude.
und Zeichenkohle.
Und Maueranfassen.
Aber auch
der von der anderen Großmutter.
Die dich auf die Füße gestellt hat und festgehalten. 
Aufrecht. Auf schwarzweißem Küchenboden. Taptap.
Ihr knisternd buntes Dederongewand
dabei sicher im Rücken.
Und ihren Hände in den Achseln.
  Mit den tiefem schwarzen Hornhautfurchen. Und den streifigen Nägeln.
Die Lina. Die das Brot schnitt vor ihrer Brust und in deren Möbeln ich jetzt wohnen darf. Wenn wir die Würmer besiegt haben.
Und dann der Trost mütterlicherseits.
Der immer zu tun bekommt mit deinem Bedürfnis nach Autarkie.
Und doch wohltut. Mitunter.
Und dich aber auch platt macht.
Immer wieder.
Wenn die schöne Helene
sich gleich mal
die Latzschürze umbindet.
Weil es ja immer was zu tun gibt.
Und wenn es die Holzwürmer sind.
Spring in die Welt. 
Spring in den Himmel. Irgendwann.
Erst in die eine. Dann in den anderen. Dort.
In den Himmeln deiner Zukunft werden sie auf dich warten
Oder du auf sie.
Wer weiß.
Aber jetzt ist Erde. Jetzt ist hier.
Hab keine Angst.
Egalwohin.
Weil du Wurzeln hast.

 

 

 

Vierzehnter Dezember : Vierzehnter Türchentag

Danket danket
dem Herrn
der so wie du es kennst
nicht Herr sein wird.
Da sei Gott vor.
Nicht herrisch
aber herrlich.
Hierlich.
Herzlich.
Unentbehrlich.
Unzerstörlich
dicherhörlich und ernährlich.
Herbeilich und behilflich.
Herausdichlieblich
aus deiner kalten Tiefe.
Aus Frost und Eis
und Kampf und Krieg.
O Erd herfür dies Blümlein bring.
Erfreulich.
Entschwerlich.
Unumkehrlich ehrlich.
Zärtlich.
Weil
wenn die Liebe
die Herrschaft hat
aller Gewalt
die Macht genommen ist.
Sie sich gewaltig ergibt
als erledigt.
Entledigt
der Herrschsucht.
Sich wandelnd in Sehnsucht
nach Frieden.

Dreizehnter Dezember : Dreizehnter Türchentag

Und ewig lächelt
das Bett.
Lockt süß der Schlaf.
Den du dir raubst.
Ignorierst. Aussperrst. Boykottierst.
Weil du den Tag nicht loslassen kannst.
Weil doch der Tag
erst in der Nacht
das wahre Leben ist.
Weil erst die Nacht
die großen Gedanken
gebiert.
Weil das Herz noch so voll ist
und das Glas schon wieder.
Weil du noch etwas schaffen willst.
Schaffen. Oder wenigstens erschaffen.
Doch verlass dich nicht zu sehr
auf die Gene
die deine Nächte kurzhalten.
Siegesgewiss und geduldig
denn er hat alle Ruhe
wartet der Schlaf
darauf sich deiner
mit Haut und Haaren zu bemächtigen.
Sich in dich hineinzugießen.
Dunkelblau und schwer.
Das Licht auszumachen
hinter deinen Augen.
Dich weich zu betten
in Ohnmacht.
Schlaf ein mein Kind
und sei getrost.
Du sollst morgen sehen
was die Sorgen
von morgen
sein werden.
Was
zu schaffen ist.
Und was nicht.
Und auch
was ein Glück
geworden ist
das heute wie Unglück aussah.