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Achtundzwanzigster Dezember : Achtundzwanzigster Türchentag

Wo
man Brot bäckt
lass dich ruhig nieder.
Böse Menschen kennen weder Brot noch Lieder.
Brot.
Aus Korn und Wasser.
Und dem Sauerteig
der bei dir wohnt.
Treu und verbindlich.
Schweigsam
aufnimmt
was dein eigen ist
und das
was die
die kommen und gehen
hinterlassen
im Kühlschrank.
Dazu Salz und Kümmel
Koriander
Kardamom
Fenchel
Schabziegerklee.
Und Zeit.
Und Brotbackkästen von Reinhard
mit steilen Wänden
wo das Brot
so gut wird
wie sonst nie.
Und die Verbindung zu Knappigs großen Jahren.
Mit Baumkuchen und Petit Four.
Welch eine Ehre
in deinen Formen
backen zu dürfen.
Welch ein Geschenk
Brot zu verschenken.
Für eines allein
heize den Ofen nicht.
Back alles
was hineingeht
ins Rohr.
Und so erfüllt sich
was gesagt ist
schon im Entstehen:
Brot will geteilt werden.

Siebenundzwanzigster Dezember : Siebenundzwanzigster Türchentag

Meine Freundin
du bist schön.
Blickst mir von überall entgegen.
Bist nicht zu übersehen.
Mannigfach.
Erinnerst mich
an dich. An mich.
An mein Woher.
Subversiv weiblich
flüstert deine Gegenwart mir zu.
Du Ort der Lebendigen
Sehnsucht
und Erfüllung.
Du wandelbares Wunderwesen.
Himmelsauge
Erdenschoß.
Zart und mächtig.
Viel zu unbesungen.
Aus dir kommt das Leben.
Blut und Wasser.
Du Ausgang und Eingang.
Du Mitte der Dinge.
Oft beschämt.
Verletzt.
Verstümmelt.
Verschrien
Verleugnet.
Unterdrückt schon in der Sprache.
Dein Sinn ist nicht
ein Futteral zu sein
für eine Klinge.
Kannst du dich doch
ganz ohne Not und ohne jemands Zugetue
erheben.
Ganz frei.
Sei
meine Freundin.
Du bist schön.

Zweiter Feiertag : Sechsundzwanzigster Türchentag

Und dann ist nach vier Strophen
„Zu Bethlehem geboren“
beim Kollekteeinsammeln
das Lied alle
und zwei Drittel
der Gemeinde sind noch
nicht abkassiert.
Stille wars im Festgottesdienst mit WO Teil III.
Also nochmal Strophe eins.
Aber immernoch
haben die Klingelbeutel viel Weg vor sich
bis zum Dankgebet.
Kein Drama.
Denke ich. Pannen beleben das Geschäft. Erstrecht das weihnachtliche. Und noch erstrecher das sakralweihnachtliche.
Aber
denke ich auch
und da regt sich
das pastorentöchterliche Mäkelgen
warum haben wir denn dann zwei Programmpunkte vorher von EG 37 wiedermal nur 1-4 gesungen.
Warum darf ich zum Beispiel nie meine heißgeliebte Lieblingsstrophe sieben singen.
Warum nie.
„Nehmt weg das Stroh…“
Und was ist das.
Dass niemand Zutrauen hat
zu einer vollen Kirche
mit vielen vollen Portmonees
und mutig mal einen kompletten Paul Gerhard auf die Karte setzt.
Dann wären ich auch
endlich mal zu meiner siebenten Strophe gekommen.
„Nehmt weg das Stroh
nehmt weg das Heu
ich will mir Blumen holen.“
Blumen holen.
Aus der Rabatte
zum Beispiel. Denke ich.
Und sehe mich
mit meiner eigens dafür stets im Rucksack mitgeführten Rosenschere
beim Blumenklau.
Meiner Königinnendisziplin von Mutters her.
Geklaut ist immer schöner
als gekauft.
Sowiesoso.
Freundin Jutta weiß das auch
und schenkt mir telefonisch die hübsche Vorstellung
wie ich
beim unerlaubten Kürzen öffentlicher Grünanlagen
vom Halleschen ABV gestellt werde und der fragt:
„Bürgerin, was machen Siehenda?“
Und ich sage:
„Herr Wachtmeister. Frohe Weihnachten. Tut mir leid. Ist eigentlich nicht erlaubt. Ich weiß. Aber ich hole Blumen um meinen Heiland draufzulegen.“
Choräle. Welch eine Kraft haben sie.
Die Enden unserer Geschichten
verbinden sie.
Erfüllt mit Bildern
den ureigenen und verbindenden
über alle Grenzen
und weiten Meere
lassen sie uns
anbetend stehen bleiben
weil wir nun
nichts weiter können.
Nichts weiter
als
bitte bitte liebe Kirchenmusik
alle Strophen singen.

 

 

 

 

 

 

Erster Feiertag : Fünfundzwanzigster Türchentag

Wir sind den Schafen
an die Nieren gegangen.
Aber richtig.
In das kunstvoll gewobene Netz
in das ihr Inneres
sicher verwahrt gewesen
und das allein schon
ein Gottesbeweis ist.
Und ihre Augen im Moment 
des Todes.
Friedlich. Vertrauensvoll. In der Hand ihres Hirten.
Der ihr Leben nimmt
für sein Leben.
Wer jemals in Eingeweide hineingeschaut hat
muss sich fragen
„Wer denkt sich sowas aus?“
Dieses Umeinanderineinander.
Dieses wohlgeordnete Leben
unter der Motorhaube unseres Leibes.
Diese Schönheit.
Die Struktur
die in uns wohnt. Verborgen. Tragfähig. Effizient. Geheimnisvoll und Erkenntnisschwer. Lebenserhaltend. Unter allen Umständen.
Lunge. Leber. Magen. Gedärm. Herz und Nieren.
Es strömt
pulsiert
atmet ein
atmet aus.
Das Urwerk unserer Körper
das keines Aufziehschlüssels bedarf.
Welch ein Wunder ist das.
“Denn du hast meine Nieren bereitet im Mutterleibe.
Ich danke dir dafür
dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke. Das erkennt meine Seele.“
Und als dein Wesen
bin ich angewiesen
auf den Tod der Wesen um mich.
Wesen essen Wesen.
Mitunter erkennen wir das nur
aneinander 
durch einander.
Aber auch in uns selbst
Und in all seiner Plausibilität
geht mir das
an die Nieren.
Und das geschieht
mir recht.

Heiligabend : Vierundzwanzigster Türchentag

Manchmal muss
etwas kaputt gehen
damit etwas wachsen kann.
Das Ei
muss aufbrechen.
So wie du.
„Da machte sich auch auf.“
Auch Josef.
Und schau
wie es von innen her glänzt und leuchtet.
Hättest du nie gesehen
wenn dich nicht
jemand hätte fallen lassen.
Und so zart zu sein
wie ein zu kurz gekochtes Ei ohne Schale
kann ja auch frei machen.
Die eigene Beweglichkeit zu erleben. Ohne das Korsett aus Gewohnheit.
Glatt und frisch.
Und natürlich sehr verletzlich.
Aber auch ohne die Wand
die dich trennt
von einer Welt
die vielleicht sogar freundlich auf dich wartet.
Es muss Scherben geben.
Ich glaube
es geht nicht ohne.
Auch nicht unterm Weihnachtsbaum.
Vielleicht wird daraus etwas Neues.
Ein ungeahntes Gefäß.
Das musst du sehen.
Vielleicht auch nicht.
Aber auf jeden Fall
wird daraus
die Freiheit
zu gestalten.
Und dann ist Weihnachten ganz nah.
Es ist deine Entscheidung
zur Krippe zu gehen
und alles andere
links liegen zu lassen.
Es ist deine Entscheidung
mit diesem Kind
mit dieser Entscheidung Gottes
auf der Erde in der Liebe gegenwärtig zu sein
ohne den Zwang der festen Form
ohne die Strafe des Vergehens
mit der Zusage der Begegnung
zu leben und zu bleiben. Immerdar.
Im Hause des Herrn.
Ich glaube
Gutes und viel Barmherzigkeit werden sich finden
in den Spuren
deiner Wege.
Dann.
Das eine nicht ohne das andere.
So sei es.

 

 

 

 

Dreiundzwanzigster Dezember : Dreiundzwanzigster Türchentag

Von dir gabs die  Locken
Väterlicherseits.
Von Mutters Seite auch welche.  Und vor allem gab es 
die Geschichten von deinem Sterben.
Ich kenne dich nur tot.
Einfach umgefallen 
bei deinen Hasen.
Just als die Lina
eine Kur hatte
im Westen.
Kurt Lohse.
Mein unbekannter Großvater
der aus dem niedrigen Reichenhainer Türrahmen lächelt
in schwarzweiß
auf einem Foto
im Rostocker Flur.
Am Herzen hast du’s gehabt.
Und eine Herzensgüte
sagen sie.
Und jetzt fällst du mir
aus der tiefen Vergangenheit
in die Hände. Ins Herz.
Den Namen dessen der solche Zeichen setzt
will ich mir schreiben an meine Türpfosten.
So wie deinen. Meinen. 
Als letzte
in der Kette. Dann ist Schluss mit Lohse.
Hast du ein Auge gehabt
auf mich?
Warst du immer da?
All die vielen Male
wo es knapp war
bis heute?
Hast ein Wort eingelegt:
„Jetzt noch nicht.“?
Durch deinen Tod
wusste ich früh was
vom Leben.
Wir haben es nicht in der Hand.
Weiß ich vom Tod
mitten im Leben.
Und
wer
weiß vielleicht
weiß ich durch dich
meinen schwarzbebrillten Schutzpatron
dessen Liebe zum Schnaps ich geerbt habe
und dessen Augenbrauen mein Vater
vielleicht weiß ich durch dich
deine Obhut
und Fürsprache
da oben
so viel vom Überleben.

 

 

Vierter Advent : Zweiundzwanzigster Türchentag

Wenn über einem
schweren Morgen
nach einer kurzen Nacht
mit einer Coronaabsage
und Regen
unter Glockengeläut
ein Regenbogen überm Dom steht
und eine Tür für dich offen
wie deine Ohren
für Elisabeths schöne
sehr sehr alte Altstimme
und Gerhard an der kastigen Orgel
und magic Jutta auf der Leinwand
mal da mal nicht da
aber dann doch verlässlich
per Notebook
unter Sternen
hier wie dort
an ihrem geliebten Schreibtischplatz
was haben wir da schon Nächte verbracht
und geredet und geredet
so nah durch dick und dünn
zwischen drinnen und draußen
und manchmal einem Zug aus deiner Zigarette
die Unvernunft in Tüten
und so schön
all die langen Abende mit
viel zu kurzen Nächten
am Ausgang zum Balkon mit der wackeren Rose
wackere Jutta
ich hab die Flaschen nicht gezählt
und viel zu selten fortgeschafft
bitte vergib mir
und nimm möglichst oft Platz
auf meinem Sofa
an meinem Tisch
auf meinem Balkon
jedenfalls wenn also auch nicht alles bestens ist
aber doch so vieles gut
dann ist das ein guter Tag zum Lernen.
Ein guter Tag zum Staunen.
Zum Beispiel darüber
dass die Neue Residenz mit immeroffenen Augen in deine Richtung schaut.
Und Maria übers Gebirge geht.
Allein.
Sich Mut ansingend vielleicht.
Über das Gebirge der Steine
die man nach ihr hätte werfen können.
Die Kluge. Die Unterschätzte.
Nicht bloß Mutter.
Wasglaubstdenndu.
Ihr Geist erhebt den Herrn.
Nicht bloß ihr Leib.
Nicht so reduziert
wie man meint.
Und meine Seele freuet sich. Auch in Sturm und Dunkel. Gerade dann.
Über eine Begegnung.
Eine wirklich wirksame.
Mit einer vielleicht
die einen zuhause hat
der nichts sagt. Himmelhilf.
Ein guter Tag also
zu lernen
dass Hallelujah
ganz wörtlich
im Japanischen klingt wie
„Es wird sonnig werden“.

 

Einundzwanzigster Dezember : Einundzwanzigster Türchenntag

Zuversicht kannst du nicht
in Büchsen kaufen.
Vielleicht eher unverpackt
mit dem eigenen Schraubglas
in der gewünschten
Volumengröße.
Oder einem Sackerl.
Mal schauen
was reingeht.
Aber auch da
würde es schwierig an der Kasse.
Spätestens da.
Vielleicht schon
am ausverkauften Regal.
Aber dann
wenn doch
mal angenommen
wie willst du sie messen?
Mit welcher Währung zahlst du?
Was ist der Preis?
Wie rechnet sich
ein Gegenwert?
Zuversicht kommt freihaus.
Unerwartet. Wenn auch ersehnt. Vielleicht unvermutet
weil dir dafür der Mut fehlte.
Wohlmöglich
als blinde Passagierin
in irgendjemands Tasche
oder gar mit einer falsch zugestellten Fracht.
Auf jeden Fall
geschenkt.
Unverfügbar und plötzlich da.
Wo du noch nicht mal
ein richtiges Bett hast.
Aber schonmal 75
Goldrandteller
und einen Gottesdienst mit mindestens zwei Magnificat
für den du morgen früh raus musst
geliebte Menschen
und Sterne. Sterne.

 

 

 

Zwanzigster Dezember : Zwanzigster Türchentag

Und dann stehen alte Bekannte
 nicht mehr nur vor
und nicht in
sondern direttamente
und in Persona
auf deiner Seite
der Tür
in der Bude.
Die kriegste jetzt nicht mehr raus.
Aber das ist ja auch schön.
Solange sie sich
zu benehmen wissen.
Und hübsch geordnet all die
Geschichten erzählen die ihr erlebt habt.
Als ein schweinchenrosa Salat-Besteck-Faden der sich durch dein Leben Zieht.
Vom Stranskie
bei dem Onkel Manne nach seiner Knastzeit
untergekommen ist.
Und Schmalzgebäck verkloppt hat
auf dem Weihnachtsmarkt.
Meine Güte.
Müssen die gestunken haben.
Wenn er kam
gab es Geschichten.
Heldengeschichten meistens. Der Stier von Flandern.
Und auch von der Frau vom Stranskie
die derweil schwerstkrank mit Krebs zu hause lag

und starb.
Umgeben von ihren Kindern.
Die dachten „die wird wieder.“
Wurde sie nicht. Auch nicht mit Analgin, was er bis zuletzt erstaunlicherweise geholfen hat.
Wusste die Erika.
Ich weiß nicht genau
ob der Strandskie selbst umgesattelt hat oder eine benachbarte Rummelbude sich auflöste
eines Tages gab es jeweils 120 schwarze Plastikpudel
rosa Salatbestecks
wie es über viele Jahre in Familienorogiinalbenutzung.
Nach Zerbruch gabs immer ein neues.
Kein Wunder.
Und kleine geschnitzte Holzhundpaare mit Magneten in Po und Nase.
Ich sehe Björn die Rummmelreste verhökern auf der Auszugsthombola mit Gesichtserkennung auf der Hochzeit von Ulrike und Lars.
Haben wir gelacht.
Jetzt im und jetzt nach 22 Jahren.
Geschlummert im Nachlass
von Oma Lina. Und jetzt beim Auspacken gefunden.
Ewigjung und frisch.
Als wäre kein Tag vergangen.
Kommt rein.
Nehmt Platz.
Ihr wart ja
immer schon da.

Neunzehnter Dezember : Neunzehnter Türchentag

Es gibt Räume
Zeiten
Beziehungen
Fragen
Perspektiven
auf dich selbst und das Leben überhaupt
wo sich
der Kopf verknotet und du dich 
gespiegelt im Spiegel gespiegelt
im Spiegel im Spiegel im Spiegel gespiegelt  im Spiegel
gespiegelt im Spiegel gespiegelt in unendlichen spiegelden Spiegeln
an nichts mehr. halten kannst
was Hand und Fuß hat
und im Bauch sich Schwindel regt
ein Stürzen in mit widerhallender Leere gefüllte endlos weite Tiefe
und zugleich
kein Ausweg ist aus der Enge
aus der Wiederkehr des immergleichen Bildes
als ein Hammerschlag.
Wenn aber anstelle deiner
und der Welt die dich umgibt
ein Licht käme
warm
und freundlich
sich unendlich zu spiegeln
in dir. Und in mir. Und in unserem Blick zueinander
wie hell
es dann würde.