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15. Türchentag

Und dann
fällt die Zeit
schnippschnapp
von dir ab.
All die Tage
Wochen
Monate
All das
womit sie
sich aufgeladen hat
weil es dir
aufgeladen war
und wobei du dich gefragt hast
wie es mit seinen Bürden
in ihrer Sperrigkeit
hineingepasst hat
in die Tragfähigkeit
deines Schädels.
Vielleicht nur
weil dieser Schopf es packte
sich selbst an den Haaren
herauszuziehen
aus dem Schlammassel
immer wieder
während die Schlammassel
vom Zusehen
fast hintenüber fiel.
Vielleicht aber auch deshalb
weil eine lockige Sprungkrraft
es auf die gesplissten Spitzen getrieben
und sich resilient
bei jeder Niederlage
zuweilen störrisch aufgerichtet
und dann wieder neu
sich in Form hat bringen lassen
von deinen guten Geistern
Feen
Engelinnen
Frauen.
Deren Hände sich
im besten Falle
eher erinnern
als ihr Kopf.
Und dann fällt
schnippschnapp
die Zeit.
Fällt sich kringelnd
zu Boden.
Lockend.
Es doch gut sein zu lassen.
Von Vorn anzufangen.
Verschlankt
und auf das Geheimnisvollste erstarkt
und energiegeladen.
Diametral verkehrt zu dir
Simson mein Freund
der du am Ende auch nicht
ungeschoren davonkamst.
Vielmehr voller Freude
über das gestutzte Glitzern in grau
und die Kontur
die dir so gut
steht.Und liegt.
Weil also
schnippschnapp
die Zeit gefallen ist
und nebenbei jaja
mitunter auch
gefallen hat
steht nun
und unsichtbar für immer
leuchtend Gottes Bogen
über der zurückgehenden Flut.
Und nachdem
die Vögel wieder wissen
wo und womit sie
ihre Nester bauen
ausbleiben und Gottlob
ihr Ding machen werden
wird
solange jemand den Mut hat
in seine Arche einzuladen
zu retten was zu retten ist
und sie
beizeiten wieder öffnet
um zu gehen und zu bleiben
nicht aufhören
Saat und Ernte
Sommer und Winter
Frost und Hitze
Tag und Nacht.

14. Türchentag

Wie wäre das
wenn eine käme
sich
zum Beispiel morgens früh
an einem dritten Advent
den Schlaf aus den Augen schüttelte
sich aufsetzte
und alsobald
aus ihrem 14. Kalendertürchen
ein Würstchen zöge
dies sogleich verfrühstückte
samt Bäuerchen danach
und anchließender Wurstwolke im elterlichen Schlafzimmer
und sich dann
ein Spiel ausdächte:
„Ich bin Claudia du bist Raymond.“

So.
Nun.
Also. Jetzt kommst du.
Was würde da gespielt?
Fragt sich
fragt dich
mein banges Herz.
Streit
und Unverzeihen
Sprachlosigkeit
Verzweiflung
Ferne?
Klarwiekloßbrühe.
Denkstduwohl.
Aber ach. Neinnein. Weit gefehlt.
Was hier eine spielt
die Anni heißt
und dann nochmal
mit getauschten Rollen
und in glasklarer Selbstverständlichkeit
ist nichts als
das Schönste
Liebevollste
Innigste
was sich denken ließe
wenn uns beide
dichundmich
eine
auf den Punkt bringen will
weil sie ganz genau
hingeschaut hat
mit ihrem klugen Herzen
dem Nixundniemand
etwas vormacht:
Nämlich
und in konsequenter
unumstößlicher Logik
wäre dieses Spiel
mit Namen
„Ich bin Claudia du bist Raymond.“
nichts anderes
als
ein Füßezudecken.

13. Türchentag




Das trocknet gut heut
sprach Oma Lina
wenn es Wind und Sonne hatte.
Welch eine
Zufriedenheit
unnachbaubar
und vonobenhergegeben
wenn die Witterung stimmt.
Und überhaupt
könnte
bitte irgendwer
endlichmal
das Nasenundseelenundherzundleben bezaubernde Geheimnis
von an der Luft
getrockneter Wäsche
erklären.
Dieses Katapult zurück
in einen
Kinderwagen
der im Frühling
auf einer Pfarrwiese unter Streuobstbäumen
dich in Obhut hat
in einer Welt
die duftet
nach Trost ohne Grund.
Nach Zuversicht
Nach vollkommenem Geborgensein.
Und überhaupt
ist da
diese Linie
von Großmutter
auf Mutter auf Tochter und Tochter
und
Nichten und Urenkelinnen.
Und dann
kommt
eingeflogen mit dem Sturm
von der Insel
eine Wilde Helena.
Großmutter der heutigen Tage
die in ihrem hohen Alter
je nach Tagesform und Lustundlaune
quietschvergnügt
sich zu entscheiden wagt
ob Unterwäsche oder nicht.
Weil sies kann.
Weil sies darf.
Weil sies mag.

11. Türchentag

Dchinn oder Gin
das ist hier
die Frage.
Obgleich
das eigentlich am Ende
gleich ist.
Gestöpselt sind sie beide.
So wie ich.
Und so
sind wir denn
schon drei
die ein Lied singen können
davon
wie das ist
verkorkt zu sein
da
wo der Geist wohnt.
Der Geist
im Wachholder
in der Flasche
in der Kehle.
Raus wollen sie
und sich
der Welt bemächtigen
die so gern
auskommen möchte
ohne sie.
Mensch dieser Welt
lass dich begeistern.
Mit Lunge
Leber
Leib und Leben.
Sei gut zu jenem Wesen
das in deiner Drosselgrube
deiner Nefesch
deinem Jugulum
drauf wartet so
wie alle guten Geister
die du verlassen hast
dass du
den Stöpsel ziehst.
Sie warten auf dich.
Wach
und handlungsstark
getrost
beherzt.
Gegen allen Irrsinn dieser Tage.

 

12. Türchentag

Drei Haselnüsse
für
die Königin in dir
die heute noch
in Sack und Asche ging
den Erbsenzählerinnen aufsaß
ausgeschlossen
verkannt
missachtet
ausgenutzt.
Nimm
was dir an die Hutschnur geht.
Was dir als Mitbringsel
nie wirklich
was getaugt hat.
Schau es dir an.
Vergiss es nicht.
Und auch
wenn du jetzt nicht mehr
damit zu tun weißt
heb es gut auf.
Lass Rosalie mit scharfem Auge gut darüber wachen.
Und du
erfahre unterdessen
was du brauchst und was nur dir gehört.
Selbst
in der Bedrängnis schlechter Bedingungen.
Raum für dich allein.
Freundinnenschaft.
Der Stolz
deiner ungebrochenen Seele.
Luft zum Atmen.
Wenigstens ab und zu.
Und dann
wenn die Zeit kommt
wirf es weg
was dich vor den Kopf gestoßen hat.
Im hohen Bogen.
Was aufbricht wird dich trefflich kleiden
in silber und gold.
In Mondschein und der Sonne Glanz.
Es wird dich
Nikolaus den Guten
aus dem Stall wegstehlen lassen
und du wirst eilen
zum Tanz.
Teilhaben
wirst du
am Fest des Lebens
als die
die du bist.
Und wirst
dir
ab jetzt nur noch
den Schuh anziehen
der dir passt.

10. Türchentag

Denk nicht
in deiner Drangsalshitze
zu viel an dein Verlassensein.
Und sowieso
ist doch immer die Frage
wer
hier wem
im Schoße sitzt
und sich aus stetem Glücke speist.
Bin ich‘s? – Hört mein ungläubiges Ich sich fragen.
Du bist es. Höre ich
mein liebendes Herz
diesem Wesen ins Ohr sagen
während es seine Krallen
tief
in meine
Oberschenkel gräbt.
Dieses schnurrende Geschöpf
das
uns zum Heil erkoren
vor 14 Jahren in unserem Garten ausgesetzt
noch immer am Leben
ungeahnte Dinge tut.
Ungeahnte Plätze bevölkert
und ganz neue Laute
für uns
erfunden hat.
Also.
Wer trägt hier wen?
Wer lässt hier wen
wenn Not und Trübsal Blitzen
sich hinter den Ohren kraulen?
Wer kann hier nicht ohne
wenn auch nach
Verzählungsrevision
irgendwann Schluss sein müsste
und auch
das siebente Leben
mal vorbei ist.
Wer wird hier
ohne müssen?
Die Folgezeit verändert viel.
Und der
dem keine Ziele gesetzt sind
und der zuweilen allein
in einem gestreiften haarigen Gegenüber
deine Zuversicht ist
der kehre deine Sorge in Durchblick
deine Sterbensangst in Vertrauen
und deinen Abschied in Ewigkeit.

9. Türchentag

Denn
wir haben hier
keine bleibende Stadt.
Keine
Sicherheit
dass Stein auf Stein
bleibt
und nicht
ein Erdrutsch wie er
sich
in diesem Leben gernemal
unter Sonstiges
auf die Tagesordnung setzt
alle Zeitpläne
Kompetenzen
und Resilienzpfründe
sprengt
und jedes
Protokoll.
Keine Garantie
dafür dass es jetztdannaberauchechtmal einfach sein darf
nach allem.
Nix is.
Kein Schongang
in der Daseinszentrifuge.
Kein sanftes Dahingeplätscher
auf der Handbreit Wasser unter dem Kiel.
Stattdessen Wildesee
Landunter
und schwankende Fundamente.
Aber dann da.
Schau her.
Über deinen sich füllenden Kisten mit Überlebensgut aus knapp 18 Jahren
über deinem immerbereiten Rettungswagen
vor der Tür
über Chaos
Verzweiflung
und tausend Fragen
leuchtet ein frischer Mut
der vielleicht
gekommen sein wird um dir zu bleiben
weil es dir
auf einmal
plötzlich und in strahlender Klarheit aufgeht
dass nämlich Advent
von Adventure kommt.

8. Türchentag

Was die Bäuerin kennt
das liebt sie.
Und kennt sich aus
mit der Kunst
den Speck nicht zu kross
die Zwiebeln nicht schwarz
und die Kartoffeln doch knusprig werden zu lassen.
Am schönsten
wenn sie sie
zwischendurch
immermal
fliegen lässt und
verlässlich
mit Könnerinnenhand
und Kennerinnenauge
wieder einfängt.
Die haut
nicht einfach
wen in die Pfanne.
Das wäre weit gefehlt.
Sie lässt tanzen
und im rechten Augenblick
unter Zugabe
von zwei Buttterflocken
petersiliengekrönt
spiegelig fließend stocken
was eben noch unfest war
und nun ein Fest
ist eine Metamorphose
ein Zusammenhalt.
Fluffig und
nicht
zu homogen
im besten Fall
gleitet es
bereit zu Umundwiederkehr
aus der Pfanne
und allsogleich in sie zurück.
Ganz heil
für ein paar letzte Minuten.
Damit obenwieunten wird.
Damit sich einschließt
was im Kern
nur leicht geschichtet
sich offenlegen wird:
Ihr köstliches Frühstück.

7. Türchentag

Zwei Lichter
von Vaters her.
Alles hübsch geordnet.
Durchgetragen. Über Wege und Meter. Mit Deutschlandticket.
Die Rosenschere im Parka.
Hell.
An finsteren Tagen.
Weil er dir grün ist.
Egalwie. Gewunden und gewickelt.
Ausgehalten
auch wenns pieckt.
Auch wenn da
mal
was querliegt.
Zwei.
Mit Aussicht auf mehr.
Zwei
in der Verheißung
dass da noch was kommt.
Aber vor allem
schon etwas ist
was spürbar den Raum füllt.
Ein Duften.
Ein Verbundensein.
Ein Reigen aus Licht
in das du
unverwunden gebunden
gehörst.

6. Türchentag

Licht
tröpfelt ins Morgengrauen.
Zwielichtig. Fahl. Dazwischen.
Es perlt ein Morgen ins Grauen.
Ein Hell ins Dunkle.
Licht von gesstern ins morgen.
Ton für Ton.
Wenn getrost
vor
jeder Sonne
und gegen all
dein Verzagtsein
Vögel singen.
Weil sie
bescheidwissen
die alten Klugscheißer
wann die Nacht
zu Ende geht
die vorher doch
noch Kälte fallen lässt
noch vor der Dämmerung.
Wenn der Morgenstern
ersehnt
erbeten
herbeigesungen
sich zeigt.
Im Dunkeln.
Im Zwielicht.
Im Hoffen
auf ihn.
Und dann
liebe Nachtschichtlerinnen
geschieht es.
Ihr kennt es.
Ihr Hirten bei den Schafen.
Ihr Hebammen
Ihr Pflegenden
Ihr Menschen am OP-Tisch
in der Raucherpause,
Ihr Hüterinnen des Worts, um das ihr ringt bis in den Morgen.
Ihr wisst
er kommt.
Es kommt. Es kommt ein Morgenstern. Verlasst euch drauf.
Den Lebenden zur Hilfe. Den Sterbenden zum Trost.
„Oh, Oh komm, du Morgenstern“
Komm. Mach mich frei
von Knechtschaft
und von Thyrannei.
Und dann
ruft wer in meine Dämmerung hinein:
Freut euch.
Freut euch.
Der Herr ist nah.
Mächtig. Gewaltig. Sprachlos machend. Groß.
Freut Euch. Und singt Hallelujah.

Imprvisation von Christian Thadewald-Friedrich zu EG 19, im Greifswalder Dom, am 05.12.2025