Spaghetti al fiore in blau. Mutterherzlich stimmt das Jugulum ein Abschiedslied an. »Ahoi Ahoi«, tönt es aus der Drosselgrube. Und dann auf und davon, zur Insel im großen Meer. Ab in die wehe Ferne. Die: auch blau. In die Ferne, mitsamt den schönen Claviculen und den Großkindern. Die: stimmbrüchig, sonnenbebrillt und flirrend vor Liebesleid. Zart und zum Zerbrechen schön, allemann. So schön, dass es empfindlich zieht: tantenherzlich. Tochterherzlich.
Und in ihrer Drosselgrube lächelt die Seeräuberin und singt »Ahoi«.
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Projizierte Reihenendhausecke auf Canvas.
Vielleicht wohnt der Schuhbestücker drin.
Wer weiß. Säh ihm ähnlich, dem alten Seefahrerbeschützer.
Sonnig bis windig ist dieser Advent.
Behausend und unstet wie ein Segelboot. Wie es sich gehört.
Ankommend. Und noch nicht da.
Vorzeichen setzend. Ausgesternt. Auch bei Nebel.
Gesummt hat es, beim 25.jährigen der Rostocker TelefonSeelsorge. Der Bienenstock des Herrn. Bis die Glocken alle still machten und Karl Töne schweben ließ, gegenan. Heimat. Herzwarm. Ökumenisch. Dort, unter dem mutigen Christus. Weihrauch und 60er-Jahre-Esthetik. Schön. Müther sei Dank. Ich habe wie immer Davidsterne gebaut aus den Fenstern. Dreieck an Dreieck an Dreieck. Die stabilste Beziehung der Welt: Mensch-Mensch-Gott. Und zurück. So geht Seelsorge.
Ein Abend voll Berührung und Wiedersehen. Voll vertrauter, leuchtender, altgewordener Gesichter. Es gab einen Wald aus Flaschenhälsen und jede Menge Wurstbrote – schau an, Jochenlachen, Geschichten und mich als Henne im Korb. Es gab den Blick hinein, auf den Grund, in die Seele, um die es ja immer geht. Auch um die des Seelsorgers; vor allem um die. Das muss ja auch mal sein. Und, na klar, mecklenburgische Anteilnahme. Und die locker auf den Tisch gepackte Essenz allen Psychowissens, noch vor 12. So tanzten wir uns ans Ende der Nacht. Der Mann, der die Dunkelheit nicht fürchtet, immer dabei. Zärtlich im Arm gehalten. I’m ready, my Lord. Gut, wenn Du nach Hause kommst, weil da jemand ist, der um Dich weiß.
Ach, Augustine. Mit viel Tamtam und sehr bei Nacht kam sie durchs Fenster und brachte uns was mit. Ein Opfer. In Liebe hingegeben. Noch ganz unzerkaut. Unblutig. Vom Munde abgespart für uns.
Gottlob blieb es auf dem Teppich und fand nicht den Weg ins Bett.
Das Mäuschen. Das Genick sauber gebrochen, schaute es fast keck hinauf zu seinem grippalen Bestatter. Der, weil nackt, hielt die Zeremonie kurz und ließ sie im Mülleimer enden.
So ist es ja mitunter mit Geschenken, wenn man nicht hinguckt.
Schon immer war das Angeschautwerden aus diesen Augen das Tröstlichste, Beste, Gesundendste auf der Welt. Nächtelang durchgehustet. Kopfauf kopfab. Und nebenbei immer ein Huhn im Topf. Dem Trotz zur Verheißung. Damit sich Hoffnung nicht erschöpft, sondern salzig und heiß, mit allem Guten sich einverleibt werde. Kraftbrühe. Schon beim Aufsetzen. Überlebenswichtig. Gegen jeden Zweifel.
Acht mal ich ohne mich. Schön. So gerade werd ich nie.
Und so klimmzügig auch nicht.
Aber dann eben doch. Nämlich.
Als Idee. Und was sind wir schon anderes
als eine Idee von uns selbst. So fix und so frei.
Selbst erfunden und doch erdacht von einem anderen.
Und augenscheinlich immer nur eine Variante davon.
In grün vielleicht, nichtssagendem rosa, himmelblau oder lila.
So ist es also. Voller Möglichkeiten, das Leben.
Worauf du dich verlassen kannst.
Und dann betrittst du über den Hinterhof der Postwendeapokalypse barrierefrei das Reich von Familie Haase am Brühl 26 und alles ist gut. Die Holzvertäfelung von 1994, der Tresenfernseheher, der ohne Ton das Programm von Radio Sachsen bebildert und der leichte Grundwassergeruch: Hier kann die Seele landen. Nach schwiegerväterlichem Demenztest, Reifenpannenreparatur für sagenhafte 67,82 € (Dank Fallpauschale ist die Krankenkasse nicht zuständig) und paardynamischer Schlechtwetterfront glätten sich mit Meissenwein, Karpfen Blau und Stammkundenverwöhnprgramm alle mentalen Bodenwellen. Ein Hoch auf die sächsische Gastfreundschaft und die ausgezeichnete Küche. Ein Hoch auf diesen furiosen Tag, der sich nun zur Ruhe bringt.
Fast seh ich sie dasitzen und lachen mit zurückgelegtem Kopf und flatterig geschlossenen Augen unter den hochgezogenen Brauen. . Die Erika. Vaterschwester. Nun liegt sie unter weißem Schotter, gleich neben Oma Lina. – Der guten Seele. Der Pfarrgartenbezwingerin und Äpfelausschneiderin mit den Händen wie Reibeisen. – Und Opa Kurt, von dem ich immer schon nichts als sein Grab kannte. Nach dem Friedhof gab es Wurstbrote bei Manne, mit der Hausschlachtenen und Geschichten, mit allem Drum und Dran. Hochzeitsfotos, Herzensklugheit und immer wieder Tränen. So viel Liebe. Für die Erika gibts keinen Ersatz. Dazu nickt auch die Hanni weise, während ihr Geist über dem Sofa schwebt und ab und zu mit dem Licht zittert.
Vor der Tür steht „Urlaub im Alltag“. Drinnen praktische Böden in lichtgrau. Die unaussprechliche Concierge geht um 4 und morgens um 7 wird die Heizung entlüftet. Am Tisch das Schwiegerelternpaar in ihrer bestürzend hinreißenden Zerbrechlichkeit und der nicht verenden wollenden Hoffnung, morgen als jemand ganz anderes, ganz anderswo aufzuwachen. Als Prinzessin im Märchenschloss oder als ein Ungebundener, kräftig, mutig, jung. Die Angst in ihren Augen greift mir ins Herz. Und diese Sehnsucht nach einem ungebrochenen Leben, das auf der Strecke blieb.
Schön schlafen in Chemnitz. Das klingt auf Sächsisch wie das „Ick bünn all hier“ der Igelin zum Hasen. Marx schüttelt gegenüber den Kopf. Proletarier aller Länder gibts hier schon lange nicht mehr. Und die Nationen haben ihre Straße aussterben lassen. Leer steht sie und erwartet die Kommenden. Aber: schau. Gottlob. Da sind sie schon, aller Cegida zum Trotz. Männer, Frauen, Kinder in allen Hautfarben. Und in allen Sprachen sprechen sie: Bin do. Und die Hasen rennen um den Sieg als ginge es ums Leben. Statt um die Angst, zu kurz zu kommen.