Monat: Juli 2023 (Seite 2 von 3)

Christophe und Isabelle

Im Wolkenkuckucksheim
riecht es
nach Gras
und Rauch
und Linde
und Sommer.
Und Möglichkeiten nach einem Kinoabend.
Gurke UND Lavendel aber gibt es nichr. Das musst du dann schon selber machen. Und das ist ja auch gut. Sonst wird man ja übermütig von all der Urbanität.
Pommes und Currywurst im Kino reicht schon. Und Isabell Huppert. Alternde Diva als alternde Diva.
Und mein Herz schlägt Richtung LiWu. In die Stephanstraße. Wo es lange schon nicht mehr ist. Und doch trägt die Erinnerung dorthin.
Und ich denke an eine Freitreppe
die ich zweimal die Woche rauf und runter getragen wurde.
Für meine Liebe zum Kino
und zu Christophe.
Dem Allgegenwärtigen mit den grauen Schläfen.
Der ein Gedicht für mich geschrieben hat
das ich nie gelesen habe.
Und am August-Bebel-Platz 5
hängt eine Mistel und wartet
darauf
dass sich unter ihr geküsst wird.
Schütter und gelb. Denn jetzt ist Sommer.
Aber immerhin küssen sich Lavendel und Bergamotte darunter.
In Heides Brause.
Zweimal Süden. In Mitteldeutschland. Und das ist gar nicht so schlecht.

 

Wie’s ist

Engel verkaufen
macht nicht unbedingt glücklich.
Auch nicht in der zweiten Generation.
Auch nicht
umgeben von all der Strahlkraft
und dem erzgebirgischen Liebreiz.
Bedürftig wie später die kleinen Amseln im Olivenbaum des Delphi in der Barfüßerstraße
streckt die kleine Frau ihren Schnabel aus. Einmal angesprochen. So hungrig nach Gesehenwerden.
Auf ihrem historischen Fußboden steht sie und weint.
Abgewetztes Linoleum in Parkettoptik. Späte DDR. Wie in meinem ersten Klassenraum im Gartenhaus der Paul-Friedrich-Scheel-Schule.
Mit steifem Knie steht sie da
und ohne Arzttermin.
Trotz der hohen Krankenkassenbeiträge als Selbstständige.
Ein SONSTIGES Kind war sie
im Arbeiter-und-Bauern-Staat.
Nichts ist ihr geschenkt worden. Nie.
Und das
wo sie doch seit 1968 privat
und ohne HO
vor allem Geschenke verkauft.
„Das ist die Ungerechtigkeit
die dem Menschen
in die Wiege gelegt ist.“
Sagt sie.
Und
„Ich sag’s
wie es ist.“
Sagt sie.
Aber auch
„Schön
dass sie so eine nette Betreuung haben.“
Und hört und überhört
den Begriff Assistenz
wahrscheinlich zum ersten
und vielleicht nicht zum letzten Mal in ihrem Leben.
Ich sag’s
wie es ist.
Da können auch die Engel
offenbar
nichts machen.

Deine einzige Chance

Und dann pflückt jemand dein Herz.
In den frühen Morgenstunden
bevor die Sonne hoch steht.
Geht auf die Knie dafür.
Kappt sämtliche inferiore und superiore Venen
und die Aorta.
Spricht noch nicht mal
deine Sprache
und hält doch auf einmal
dein ganzes Leben
in der Hand.
Mit seinen Ein- und Ausgängen
und seiner Schlagkraft.
Erfasst
den Rhythmus deiner Zeit.
Ihren Anfang und ihr Ende.
Birgt sie in Gold und legt sie in weiten Raum.
Dass dir hören und sehen vergeht.
Und du dich fragst
was jetzt noch kommen soll.
Dass dir Angst wird.
Und du weißt
dass Vertrauen
deine einzige Chance ist.

Gegen die Wand

So viele Mauern
die du vollendet umsegelt hast
im Sturzflug
spielend abgebogen vor der Wand
und den Eingang gefunden.
Einen Unterschlupf
vor dem Wind
der dich getragen hat.
Dem du getrotzt
und den du ausgenutzt hast.
Hinterrücks.
Federleicht.
Pantherschwarz und
ferrarischnell
Zart und zäh.
Mit sieben Herzschlägen in der Sekunde.
Immer in der Luft.
Und selten an Land.
Jetzt bist du gestrandet.
Gegen die Wand.
Keine beste Beerdigung der Welt
zwischen den Mauern
deren Bezeichnung
du getragen hast
obwohl deine Mauer
viel eher
eine Felswand
gewesen wäre.
Auf die Erde gelegt
der du so unverbunden warst.
Vielleicht
hast du sie gefürchtet.
Denn sie hätte
dein Ende bedeutet.
Hat sie ja auch.
So kommt es manchmal
dazu
dass sich unsere Ängste
unausweichlich
auch tragisch
und schmerzvoll
aber am Ende auch ganz friedlich
bestätigen.
Und dass du
Ihrer entledigt
aufsteigen kannst.
Ganz neu.

Das Beste zu tanzen

Nicht immer nur voraus
auch zurück
wirft sich mitunter
dein Schatten
und schneidet
ein Bild von dir in den Raum.
Weil du dich
dem Licht zugewendet hast.
Mit blinzelnden Augen
und Sternchen im Blick
hinterher
die dich
immer ein bisschen
durcheinander bringen
wie Glühwürmchen
aber eben auch ganz schön sind.
Der Weg vor dir ist frei.
Eine Bahn ins Licht.
Aber deine Augen
werden es nicht ertragen.
Ganz anders
sich den Rücken wärmen zu lassen
ohne Sterne und ohne Erblinden.
Dann aber deinem Schatten
so viel größer als du selbst
ins Zimmer gerissen
aufs Land gelegt
der dir an den Füßen klebt
folgen zu sollen
und ihn nicht einzuholen
und die Erwartung
die er entwirft
diese scheinriesige Projektion
in schwarz und weiß
nie ganz auszufüllen.
Wohin du auch schaust
es wird dich etwas kosten.
Also ist es wohl das Beste
zu tanzen
weil es
immer mal eine Wendung braucht.

 

 

Wo der Schuh drückt

Verborgen im Dickicht
des Musters
auf den Zöhlschen Fliesen
stolz ins frisch angebaute 90erjahrebad
mit Dusche UND ergonomischer Wanne samt verdeckter Schlaucharmatur
an die Wand gespiegelt
erwartet dich
mit schöner Verlässlichkeit
der miesepetrige Waldgeist
der dort wohloderübel wohnt.
Wenn du ihn einmal erspäht hast
wirst du ihn nicht mehr los.
Dann hat er dich.
Schaut unverdrossen verdrießlich
aus den Kacheln.
Eins seiner Augen
hat dich immer im Blick.
Gemurmelte Klage
entschwebt
seinem Sudermannbart
von Verwünschungen durchzogen.
Und mischt sich mit deinem optimistischen Wassergeplätscher und Schaumblasengeplatze.
Das Leben in seiner Gegensätzlichkeit
fordert heraus.
Zu allen Zeiten.
Und wird gegebenenfalls
zum Soundtrack deines Morgens.
Dein Seelsorgeohr lauscht
wo der Schuh drückt.
Dein Mitgefühl kopfnickt beim Zähneputzen unter der Dusche.
Weil es ja auch ganz in echt jetzt mal nicht das Schönste sein kann
gefangen in Stein und Glasur
tagein tagaus aus einer Wand heraus zu starren
noch dazu nach links und rechts zugleich
und trotzdem im Allgemeinen unbeachtet
ungesehen
und erst recht ungehört
zu bleiben
trotz all der
Weisheit
und der Mühe mit der Frisur.

 

Jetzt schon

Jetzt schon
an den Winter denken
mit seinen Beschwerlichkeiten.
Mit seiner Kälte.
Mit seiner Unwirtlichkeit.
Und deiner Unbeweglichkeit.
Und deiner Hoffnung auf Wärme.
Du kannst sicher sein
es ist genug.
Es ist alles bedacht.
Auch für dich.
Und schau.
Es ist Raum zwischen dem
Notwendigen
und der Freiheit deines Willkommenseins
das du manchmal
sogar schon jetzt im Sommer
kaum glauben kannst.
Es ist Raum.
Zwischenraum.
Für alles Schwierige.
Für die Schönheit
lernen zu dürfen.
Für Herausforderung.
Für Lauschen
Schweigen
und Antworten
zur rechten Zeit.
Jetzt schon an den Winter denken.
Daran
dass er dich wärmen wird
weil jemand voraus gedacht hat.

Fenchelaniskümmel

Heimat hat
verschiedene Orte.
Düfte
Klänge und Geschmäcker.
Heimat ist
vielleicht auch da
wo du nie gewohnt hast.
Aber da
wo jemand dich erwartet
und fragt
Was brauchst du
Und du
für deinen rumpelnden Magen
ganz schnell eine Waagerechte bekommst
und einen Fenchelaniskümmeltee
hier frisch zerstoßen
und dann aufgebrüht
und nach allem was du so durchgemacht hast
in Kinderkliniken
in Decken eingehüllt und hustend hingefahren
mitten in der Nacht
mit der riesengroßen
Alleindableibeangst
wo es dann aus einer
roten
blauen
oder scheußlich gelben Plastetasse
Fencheltee gab
erwartest du das Schlimmste
und sagst trotzdem Ja
weil das hier geht
im Abendlicht deines Ankommens.
Und dann
schau an
findet
dein Trauma keine Antwort
und nicht nur dein Magen
Heilung.

Weiß der Fuchs

Wieso Pastis im Sommer so viel besser schmeckt als im Winter.
Wieso Livemusik von Weitem
nach Sehnsucht klingt
und wenn du dann dort bist doch viel zu laut.
Wieso Fragen
die keine waren
auf einmal welche sind.
Wieso du die Sonne siehst bei Regen
aber den Regenbogen nicht.
Wieso Menschen
die du noch gar nicht kennst
dir sympathisch oder unsympathisch sind.
Wieso ein Stichwort
dich verletzt
unabsichtlich.
Wieso du blau liebst
und es dich doch immer irgendwie melancholisch macht.
Wieso ein Kind schreit
und seine Eltern es nicht nach Hause bringen.
Wieso du hoffst
und dann enttäuscht bist
obwohl die Hoffnung dich doch so froh gemacht hat.
Und wieso Rosen
unerwischt aber dennoch widerrechtlich
aus städtischer Grünanlage gemopst
so viel schöner sind als gekaufte.
Der Fuchs weiß es.
Die Füchsin auch.
Höchstwahrscheinlich sogar besser.
Vulpes. Auch femmina.
Kulturfolgerin.
Schlauer
als du erlaubst.
Und näher
als du denkst.

da berühren sich

Diversität in der Sprache
besonders im Bereich der Kulinarik
also dort
wo Menschen sich vergessen
im Genuss
miteinander
und sich
gegenseitig zeigen
was gut ist
und vielleicht sogar
Wege verlassen
von Mischgemüse und Maggifixfür
ist friedensstiftend und aufregend zugleich.
Denn da berühren sich Himmel und Erde
und dazu Klops und Frikadelle
Boulette und Fleischpflanzerl
Faschiertes Laiberl
Köttbullar
Chevapchichi und Köfte
in dem Einen
das sie alle verbindet:
Sie sind eins geworden
aus dem
was voneinander
getrennt und geschieden war.
Und dann kam hinzu
von dem uns gesagt ist
was gut ist.
Zwiebeln.
Brot oder Reis.
Etwas
das bindet und würzt.
Mir ist gesagt
Senf und Ketchup.
Und ein bisschen zu viel Hitze unter der Pfanne.
Das schadet nie.
Für die Kruste.
Manches wagst du zu verändern.
Manches bleibt unangetastet
und beschert dir die Wonnen vergangener Zeiten
mitten in deinem Heute.
Und mir hier den Duft von Henrys Klopsen
in jeder Pore.
Väterlich fürsorglich
handfest und nahrhaft.
Bestens. Nicht nur Mitbringbuffets aller Epochen deines Lebens.
Auch für Zeiten von Seelennot und Beinbruch
wo du Proviant brauchst
für morgen.
Dafür lohnt es sich
bei 36° Gehacktes nach Hause
und weiter zu tragen was im Weitersagen ensteht.
Dass Friede werde
unter uns.