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Mehr Wie als Ob

Die Nacht
hat Klänge.
Und Gesichter.
Und Ängste.
Und Freiheiten.
Und Sterne.
Und Goldbergvariationen.
Und Ragna Schirmer
die sie spielt
im Glitzermantel.
Hinter und unter
Mond und Sternen.
Sichtbar und unsichtbar.
Und Puppen.
Wesen mit Assistenzbedarf
die Geschichten erzählen
und dann verschwinden.
Alles verweht wie ein Hauch.
Und die Erde dreht sich bald wieder ohne mich.
Aber da sind auch die Eichen
auf der Rabeninsel.
Mit dem lieben lieben Lars
mit Stetsonmütze
erwandert und bestaunt.
Die haben so viel Substanz.
Und Daseinspräsenz.
Da gibt es keine Frage mehr
nach dem Ob.
Aber viel mehr
nach dem Wie
der Bäume
der hellblauen Libelle
dem Odermenning
und dem Kormoran
mit Flügelschweiß.

 

Lehre uns bedenken

Dass wir sterben müssen
ist vielleicht
gar nicht so ein Drama
wenn es den guten Ort gibt
wo
eine Schnecke
dem Sensenmann
keck
über die Schulter schaut.
Und es Marienkäfer regnet.
Und eine dem Wind lauscht.
Und jemand schreibt:
Die Sorge
liebes Kind
um dich
nahm eine höhere Macht
auf sich.
Und wenn dies passenderweise
nur noch auf einem Sockel steht
und das Kreuz dazu
wie weg geflogen
seiner Last entledigt
ist.
Wie gut
wenn Gott
in der Stadt
einen Acker hat.
Auf dass wir
klug werden.

Unbeteiligt

So eine Wand
kann auch sehr
verlässlich und stützend
sein.
Aber
so einfach
ist es auch nicht.
Vor allem
wenn dein Fenster
darauf hinaus geht.
Da gibt es wenig Aussicht.
Aber doch etwas
woran du dich lehnen kannst
und das
in aller Kargheit
und Monotonie
doch
eine Kontur und
eine kühle Eigenheit hat
die dich
aus dem Verborgenen tröstet
durch ihr
Unbeteiligtsein.

Wenn

Es ist immer ein Erstaunen.
Und ein Klimmzug
über deine Enttäuschung.
Aber auch
in die Freiheit des Raumes.
Wenn sich das große nicht anfindet
obwohl du es erwartet hast.
Wenn kein Verlass ist
auf deine sichere Bank.
Wenn das Brot zwar duftet
im Ofen
aber nicht aufgegangen ist.
Wenn ein alter Freund dir nah ist
und dann doch
ferne Dinge sagt.
Wenn du Estragon gedacht hast
und dann gibt es keinen.
Wenn die Tür
die du offen erwartet hast
jetzt auch dienstags zu ist.
Wenn du dich konzentrieren wolltest
und dich doch verteilt hast.
Aber auch
wenn auf einmal
alle Essenz
in einer Winzigkeit steckt.

 

Lieblingsstücke

Da sind sie wieder.
Weit gereist.
über Ozeane und Länder.
Unter dem Saharasturm durch.
Meine Güte.
Zwei Mal sogar.
Wo sie doch
gar nicht wegzudenken
sind von mir
weil
nichts so
unzuweit und zart und elegant
meine Pulse wärmt
seit zwanzig Jahren.
Geschenkt bekommen am Reinfeierabend
meines 25. Geburtstags
von Wiebke. Der Liebsten.
Begleiterinnen. Alle drei.
Damals wie jetzt.
Wer hineinschaut
weiß
was Privatsachen sind.
Und nun
von Mutterhand geflickt.
Faden für Faden
aufgenommen
und neu verwoben
mit Liebe. Mit Geschick. Mit ihrer Handschrift
die ich überall erkennen würde.
Dem Verschleiß zum Trotz.
Der Nachhaltigkeit zum Ruhm.
Mit Wandtschem Garn aus dem Sperrmüll.
Farblich perfekt.
Eingesammelt an einem Herbstabend mit Anton
fast für den Preis
einer Kniescheibe.
Wer wusste schon
wofür es gut ist.
Und dass es nach Madeira reisen wird.
Und wieder zurück.
Sieben Nadeln sind zerbrochen.
Sieben auf einen Streich.
Chinesischer Mist
sagt die Pragmatin.
Die Metaphorikerin sagt
Heilung gelingt
nur durch
Verlust
und freut sich
dass der
fürs Erste
abgewendet ist.

 

Salzpfanne

In meiner
Halleschen
Salzpfanne
kristallisiert sich
langsam und mit Bedacht
zunehmend
wie der volle Mond heute
eine Essenz aus der Tiefe.
Vielleicht
ein Produkt der Jahrtausende.
Und jetzt meins.
Körnchen für Körnchen
im Stande
sich zu lösen.
Verwandt meinem Glück
und meiner Trauer.
All denen nahe
die
Schmerz vererben
wie Heilung
und Hoffnung nicht vergessen haben
auch ohne sie zu sehen.
Denen
die ihr Leben
gelebt haben
mit meinen Voraussetzungen
aber nicht mit meinen Möglichkeiten.
Die früh von dieser Welt gegangen sind.
Wie Birgit.
Deren Elektrorollstuhl ich geerbt habe.
Wie meine Großmütter.
Mit all ihren Traumata.
Wie die
deren Namen versandet sind
und von denen
ich nur neblige Geschichten weiß.
In meiner Halleschen Salzpfanne
zeigen sie sich.
Sie machen mich froh.
Dankbar.
Und traurig.
Und reich.

Schuhe Accessoires Elefanten

Guten Tag.
Ich hätte gerne
einen Elefanten
bitte.
Einen
der im Raum steht
und dem Unausgesprochenen
seinen Platz zumisst.
Einen
der mich auf Luftkissenfüßen
durch all meine
Porzellanläden
trägt
während ich ihm
die schwarzen borstigen Haare
auf seinem schönen Schädel
kraule.
Im Schneidersitz.
Einen Elefanten
bitte
der meine Leidenschaft
für ausgiebiges Duschen teilt
und
dessen große Ohren
mich hören.
Einen Elefanten
bitte
dessen haarige Rüsselhand
sich mir liebevoll entgegenstrecken wird.
Dessen dicke Haut
ich mir leihen kann.
Aber auch
seine gütigen Augen.
Und unter dem
ich Schutz habe
vor dem Regen.

Der Vogelstrauß

Meine Wirbelsäule
legt sich
um mehrere Kurven
und landet
nahezu
auf sich selbst
im freien Fall
auf sich zurückgeworfen
und steckt doch
den Kopf
nicht in den Sand
sondern
hält sich aufrecht
mit Hüftschwung
und gotischem Doppel-S.
Eine Säule
dem Aufstreben trotzend
und taugt doch zum Tragen.
Siehstewohl.
Aber fernab
von der Idee
dass Aufrichtigkeit
von Vertikalität käme.

Liebe Sprechstelle

Wenn das mal
immer
so einfach wäre
dass jemand weiß
an welcher Stelle
gesprochen
und an welcher
gehört
und gewartet
werden soll.
Und weil es das nicht ist
und die Welt voller Worte
die entweder
unnötig
oder unerhört sind
haben wir immer
und immer wieder
mit Störungen
im Betriebsablauf
zu tun.
Alle Lampen auf Rot.
Rauschen in der Leitung.
Und das Wort
das dich erlösen soll
bleibt dir versagt.
Liebe Sprechstelle
lehre mich lauschen.
Und lehre die Welt
zu hören und zu warten.
Und dann gib Antwort
auf all meine Fragen.

Steintor Saale Dom

Während Brahms
Hölderlin belauscht
und wir schwankenden Menschen
fallen
von Klippe zu Klippe
wie Wasser
umleuchtet uns doch
Seine Wahrheit
mit Psalm 115
besungen.
Unter dem Dirigat
zweier junger Frauen.
Perfekt tönt Mendelssohn
im Dom.
Fast ein bisschen zu sehr.
Schön
wie das Glitzern
auf den Saalewellen.
Licht an
Licht aus
wie flüssige Discokugeln.
Dazu Rhabarbereis
und schwebende Giraffen
Zebras und Antilopen mit wunderschönen Augen
aus Freund Larsens Ruandageschichten.
In seiner Praxis blicken jetzt auch Angelika und Beatrice
auf Hoffnung und Freude.