Fast seh ich sie dasitzen und lachen mit zurückgelegtem Kopf und flatterig geschlossenen Augen unter den hochgezogenen Brauen. . Die Erika. Vaterschwester. Nun liegt sie unter weißem Schotter, gleich neben Oma Lina. – Der guten Seele. Der Pfarrgartenbezwingerin und Äpfelausschneiderin mit den Händen wie Reibeisen. – Und Opa Kurt, von dem ich immer schon nichts als sein Grab kannte. Nach dem Friedhof gab es Wurstbrote bei Manne, mit der Hausschlachtenen und Geschichten, mit allem Drum und Dran. Hochzeitsfotos, Herzensklugheit und immer wieder Tränen. So viel Liebe. Für die Erika gibts keinen Ersatz. Dazu nickt auch die Hanni weise, während ihr Geist über dem Sofa schwebt und ab und zu mit dem Licht zittert.
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Vor der Tür steht “Urlaub im Alltag”. Drinnen praktische Böden in lichtgrau. Die unaussprechliche Concierge geht um 4 und morgens um 7 wird die Heizung entlüftet. Am Tisch das Schwiegerelternpaar in ihrer bestürzend hinreißenden Zerbrechlichkeit und der nicht verenden wollenden Hoffnung, morgen als jemand ganz anderes, ganz anderswo aufzuwachen. Als Prinzessin im Märchenschloss oder als ein Ungebundener, kräftig, mutig, jung. Die Angst in ihren Augen greift mir ins Herz. Und diese Sehnsucht nach einem ungebrochenen Leben, das auf der Strecke blieb.
Schön schlafen in Chemnitz. Das klingt auf Sächsisch wie das “Ick bünn all hier” der Igelin zum Hasen. Marx schüttelt gegenüber den Kopf. Proletarier aller Länder gibts hier schon lange nicht mehr. Und die Nationen haben ihre Straße aussterben lassen. Leer steht sie und erwartet die Kommenden. Aber: schau. Gottlob. Da sind sie schon, aller Cegida zum Trotz. Männer, Frauen, Kinder in allen Hautfarben. Und in allen Sprachen sprechen sie: Bin do. Und die Hasen rennen um den Sieg als ginge es ums Leben. Statt um die Angst, zu kurz zu kommen.
Habe eine Glasmurmel gefunden. Ganz allein. Bis aufs Aufheben.
Meine Ernte, heute, an Erntedank. Einem der Pfarrhauskinder stibitzt.
Aber vielleicht ist ja Ernte immer auch ein Stibitzen, ein Raub, ein Sichnehmen dessen, was einem bis dahin nicht gehörte. Was vielleicht jemandem, vielleicht niemandem, vielleicht nur sich selbst gehörte.
Da liegt er nun. Mein Raub. Dem ewigen Kruso auf dem Scheitel. Und unweit das Sibirischen Birnchen, das der Wind geerntet hat, stibitzt vom Strauch, neulich, noch ganz grün. Und das er doch nicht forttragen konnte und zurücklassen musste. Das nun zusehends rot wird, nichtsdestotrotz. Und mir vorgaukelt, es gehörte mir.
Dabei habe ich es doch nur gefunden. Wie die Murmel.
Wohlmöglich erntet sie mir beide noch einer weg.
Proustsches Weh und Behagen am Morgen. Und immer auch die Frage, seine, nach dem unvergehen der Zeit, das sich fängt in einer Tasse Tee. Für mich heute ohne Madeleine. Aber mit den unauslassbaren Schwedenkräutern. Möge es nützen. Auf dass mir noch lange Ewigkeit nur aus dem Vergänglichen aufsteige, sie mir meinetwegen ins Herz gelegt sei, bittesehr, aber sonst soll noch lange heute sein. Und morgen und gestern. Und Untröstlichkeit. Und Trost über einer Tasse Tee, die auf Russisch wie auf Deutsch nach Sommer riecht.
Ich war im Schrauberparadies und habe aufsehenerregend auf dem Tisch gesessen. Mit Upgrade auf Augenhöhe. Endlich mal. Schön war das. Das ist es ja immer. Schon wegen der Tüfteligkeit und der Pflegebettbühnen. Und natürlich den Begegnungen mit den Tüftlern, Sachenerfindern und Körperteilschnitzern: den wunderbaren, den genialen, den Spielraumbefreiern. Schön war es also, wie immer. Aber diesmal mit Perspektivwechsel. Und sogar mit Picknick. Mit Scheitel auf 1,70.
Micha hat mir derweil den Sand aus dem Getriebe gepustet, Lager neu gelagert und mit guter Rostocker Luft für Normdruck gesorgt. Jetzt saust das Stühlchen wieder, wenn es auch ein wenig jault. Vielleicht hat er ein Gespenst geweckt, dass nun raus will. Deswegen werde ich wohl nächstens wieder hin müssen.
Und Wein. Christi Blut. Und Vertrautheit von ganz früher. Als es begann. Und es hatte schon lange vorher begonnen. Der Mündigmacher ist da. Der Freund. Der treue. Der alte. Jochen. Beziehungsvater. Meeresrauschenlauscher. Nachtkamerad. Klarseher. Mit seiner Friedel, die das Herz weh macht vor Erinnerung und Wiederschmeckensfreude. Himbeeren gibt es und Brombeerkuchen. Gehirnkohl im Glas, süßsauer. Den Scharfsinn der Klugen Ehefrau dazu. Der Begleiterin. Der Gartenschatzmeisterin. Der Verbundenen.
Nahrung ist und Wohlwollen und Terrassengelächter, Aufdieschenkelschlagen und Dubistdoofsätze bis tief in dieNacht: Uns eine Wonne, den Nachbarn ein Ärgernis.
Du denkst: Ein toller Ort. Und dann brennt es. Lichterloh. Mutterland. Und der Prinz mittendrin. Lieber Himmel. Der Tod ist immer nebenan. Selbst wenn das Banale nie weit ist. Und Trauer, bei denen, die in der Asche nach dem suchen, was sie kannten. Und doch Hoffnung haben. Auf ein Mutterland. Tochterland. Schwesterland. Inwendig und unabbrennbar.
Da musste er noch nicht mal auf die Leiter steigen, der frühe Gast. Nimmt den Schneeball vorweg. Rot. Und die eisigen Patrone auch, irgendwie. Weiß. Aber das wissen vor allem die kalten Füße. Kaschmirsommer. Wenn auch mit gnädigen Momenten, wenn die Sonnen mit den Köpfchen nicken und es warm machen im Bauch und hinter der vorausschauenden Stirn.
Und dann triffst du plötzlich diese Schlange im Bad. Ganz lässig und mit den übergeschlagenen Beinen baumelnd. Hängt ein bisschen rum und lässt das Leben durch sich durch rauschen. Wechselwarm. Wispert mir ihren Namen ins Hirn. Ich nehm sie beim Wort. Sehr gerne.